Vatikan: Sorge um Kirchenoberhaupt Wie es um die Gesundheit von Papst Franziskus steht

Papst Franziskus wirkt müde
Papst Franziskus vergangene Woche bei seiner wöchentlichen Generalaudienz auf dem Petersplatz.
© Andrew Medichini / DPA
Nach der Absage seines Besuchs bei der Weltklimakonferenz in Dubai wächst die Sorge um den Gesundheitszustand des 86-jährigen Argentiniers. An Rücktritt denkt der Papst nicht, auch wenn die Nachfolge-Diskussionen in Kirchenkreisen bereits laufen. 

Als Papst Franziskus sichtlich ermattet, gebeugt und mit kleinen Schritten am vergangenen Mittwoch die Bühne der Audienzhalle in Rom betritt, empfangen ihn minutenlang stehender Applaus und "Viva il Papa"-Rufe aus dem Saal. Trotz seiner Erkrankung an der Lunge und den Atemwegen zeigte sich der 86 Jahre alte Pontifex den Gläubigen bei der Generalaudienz, die vom Petersplatz nach drinnen in die Aula Paolo VI verlegt wurde, um den Patienten vor kalter Luft zu schützen. "Mir geht es noch nicht gut mit dieser Grippe", sagte Franziskus. "Meine Stimme ist noch nicht schön."

Ein Aufatmen geht durch die Reihen. Der Papst sieht zwar blass aus, noch benommen von den Antibiotika-Infusionen, seine Rede ist unterbrochen durch häufiges Räuspern. Aber er ist wieder da. Die römische Kurie war tagelang zwischen Bangen und Hoffen in Aufregung geraten, nachdem Franziskus am Samstag mit Verdacht auf Lungenentzündung ins Krankenhaus musste. Franziskus wird am 17. Dezember 87 Jahre alt. Wie wird der Mann den bereits dritten Klinikaufenthalt in diesem Jahr überstehen? Das fragte man sich im Vatikan genauso wie auf den Straßen Roms.

Ein vorzeitiger Rücktritt? Keine Option für diesen Papst

"Wir haben nicht alle Informationen, aber wie es aussieht, machen Franziskus zyklische Krisen zu schaffen, von denen er sich bislang aber immer wieder erholt, auch wenn er sehr anfällig ist", sagt der Vatikanexperte, Buchautor und Biograf von Franziskus Marco Politi. Eine Lungenentzündung hatte den Papst bereits an Ostern in die Klink gezwungen. Im Juni musste er nochmal ins Krankenhaus wegen einer Operation am Darm. Hinter vorgehaltener Hand sprachen manche Vatikankenner bereits von der Möglichkeit eines Rücktritts. "Der Papst sieht das pragmatisch. Er hat gesagt, dass er weitermacht, solange er dazu in der Lage ist. Und es sieht im Moment ganz danach aus", so Politi.

Seine historische Reise zum Weltklimagipfel in Dubai musste er allerdings absagen. Franziskus wäre der erste Papst gewesen, der an einer Klimakonferenz der Vereinten Nationen teilnimmt. Die Eindämmung der globalen Erwärmung ist ein zentrales Thema seines Pontifikats. Bereits zur Pariser Klimakonferenz 2015, auf der sich die teilnehmenden Staaten einigten, den Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, sandte Franziskus einen Appell zum weltweiten Umdenken. Auch der Vatikan trat dem Abkommen bei. 

Nun wollte der Souverän des Vatikanstaats selbst das Wort ergreifen: Er hatte eine scharfe Rede vorbereitet, einen mahnenden Weckruf an die Menschheit geplant. Kein Kirchenoberhaupt vor ihm hat sich in öffentliche, internationale Debatten eingeschaltet wie Papst Franziskus. Auf internationalem Parkett hat seine Stimme Gewicht.

In Kirchenkreisen wird bereits die Nachfolge diskutiert – hinter vorgehaltener Hand

Ganz anderes sieht es daheim aus. Seit den häufigen Erkrankungen ist der Widerstand gegen den Erneuerer Franziskus hinter den Mauern des Vatikans wieder entflammt. Die Ränkespiele im Hinblick auf die nächste Papstwahl, das Konklave, reißen nicht ab. "Konservative und Traditionalisten versuchen bereits seit zwei Jahren zu verhindern, dass nach Franziskus kein zweiter Reformpapst kommt, und kungeln mit Unterstützern für einen moderaten Nachfolger", sagt Politi. Die Mehrheitsverhältnisse seien aber sehr schwankend: 30 Prozent Ultrakonservative, 30 Prozent Reformer und 40 Prozent Unentschiedene. Zu dieser Gruppe gehörten desorientierte Geistliche, die zum Teil aufrichtig nicht wüssten, wo sie stehen, und Angst vor Veränderung hätten, vor der sogenannten "Protestantisierung" "erklärt Politi.

Immerhin geht es um Grundfragen der Kirche wie die Lockerung der katholischen Sexualmoral, die Freiwilligkeit des Zölibats, die Zulassung der Frauen zur Diakonie und die Stärkung der Kontrolle über die Bischöfe. Darüber zu entscheiden, liegt heute nicht mehr in der Macht der römischen Kurie, so Politi. Der Ausgang des Konflikts werde von den Bischofskonferenzen weltweit abhängen. "Was zählt ist, in welche Richtung sie gehen werden."

Innerhalb der Kirche tobt ein Bürgerkrieg

"Innerhalb der Kirche tobt ein Bürgerkrieg", sagt Politi. Modernisierer gegen Bewahrer, Zentralisten gegen die Weltkirche. Der Kampf sei mehr oder weniger öffentlich, so Politi. Franziskus´ Gegner greifen ihn mit scharfen Worten an und verbreiten das mitunter in den sozialen Medien. Der Papst bleibt aber unbeirrt bei seinem Reformwillen. Viel Zeit bleibt ihm nicht, um die Weichen in seinem Sinne zu stellen. 

Erst im Oktober hatte Franziskus die Bischöfe zur Weltsynode in Rom einberufen. Politi nennt es ein "Mini-Konzil", so etwas wie eine kleine Revolution. Es waren auch Frauen dabei, die zum ersten Mal in 1700 Jahren Kirchengeschichte ein Wahlrecht hatten, betont Politi. Der zweite Teil der Synode soll im Oktober 2024 stattfinden. In einem Abschlussdokument wird dann gemeinsam die Ausrichtung der Katholischen Kirche festgeschrieben: das Verhältnis von Kirche als Gemeinschaft und als Hierarchie; die Teilnahme und Teilhabe, also die Mitbestimmung der katholischen Laien; die Mission oder wie die Kirche sich gegenüber der Welt positioniert.

Franziskus mischt sich weiterhin ein

"Der Papst kann heute nicht mehr alles allein entscheiden, er braucht den Rückhalt und die Zustimmung der Bischofskonferenzen", sagt Politi. Manchmal bricht er aber mit diesem Prinzip und betritt im Alleingang neues Terrain. Wenn er homosexuelle Menschen als Gottes Kinder in die Kirche aufnehmen oder geschiedene und wiederverheiratete Paare zur Kommunion zulassen möchte. Aber da spricht er für sich persönlich, nicht im Namen der Kirche. 

Trotz seiner fragilen Gesundheit und den wiederkehrenden Erkrankungen verlässt Franziskus weder der Mut noch die Kraft, sich einerseits mit direkten Äußerungen in seinen Ansprachen als Modernisierer hervorzutun und anderseits mit Nachdruck die Bischofskonferenzen weltweit zu stärken, damit sie als Gegengewicht zu Roms Kurie sagen können, wohin die Kirche in Zukunft gehen soll.