Papstbesuch in Polen In den Schuhen des Vorgängers

Zum Höhepunkt seiner Polen-Reise hat Papst Benedikt XVI. am Sonntag das ehemalige Nazi-Vernichtungslager Auschwitz besucht. Davor hatte er angekündigt, er wolle das Lager "als Sohn Deutschlands" besuchen - und ein Friedensgebet sprechen.

Mit einer Messe vor rund 900.000 Gläubigen in Krakau hat sich Papst Benedikt XVI. am Sonntag von den polnischen Katholiken verabschiedet. Als letzte Station der viertägigen Reise durch das Heimatland seines Vorgängers stand am Nachmittag noch ein Besuch im ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau auf dem Programm. Der Besuch in Auschwitz sei ursprünglich nicht geplant gewesen, sagte Vatikan-Sprecher Joaquin Navarro-Valls. Aber der Papst habe gesagt: "Ich möchte dorthin gehen, ich muss dorthin gehen." In der Gedenkstätte wollte das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche als "Sohn Deutschlands" in seiner Muttersprache für den Frieden beten.

Schwerer Gang als "Sohn des deutschen Volkes"

"Johannes Paul ging nach Auschwitz als Sohn des polnischen Volkes, und Benedikt geht als Sohn des deutschen Volkes", sagte Vatikan-Sprecher Joaquin Navarro-Valls am Samstag. Benedikt habe darauf bestanden, diesen Ort während seiner Polen-Reise zu besuchen. Besonders aufmerksam wird beobachtet, dass er ein Gebet auf Deutsch sprechen will. Bisher hatte es Benedikt wärhend seiner gesamten Reise vermieden, seine Muttersprache in der Öffentlichkeit zu benutzen, um nicht polnische und jüdische Gefühle zu verletzen.

In den Gaskammern des Lagers haben die Nationalsozialisten rund 1,5 Millionen Menschen umgebracht. Die meisten davon waren Juden. 1940 von den deutschen Besatzungskräften zunächst als Arbeitslager für Polen gegründet, bauten sie die Anlagen im Süden des Landes schließlich zum Kernstück von Adolf Hitlers "Endlösung der Judenfrage" aus.

Josef Ratzinger war in der HJ

Dass der Papst Deutscher ist, fügt der ohnehin schmerzhaften Konfrontation eine besondere Dimension hinzu. Die Begegnung berührt nicht nur das schwierige katholisch-jüdische Verhältnis und die Frage, wie Glaube angesichts von so viel Bösem - wie dem Holocaust - noch möglich sein kann. Mit dem 79-jährigen Bayern kommt auch ein Zeitzeuge nach Auschwitz. Joseph Ratzinger war bei Kriegsende 18 Jahre alt und war während des Kriegs pflichtgemäß in der Hitlerjugend.

So forderte er auch die Gläubigen am Sonntagvormittag in der Muttersprache seines Vorgängers Johannes Paul II. auf, unerschütterlich zu ihrem Glauben zu stehen. In seiner Predigt in Krakau forderte er die Polen auf, "mit den anderen Völkern der Welt den Schatz eures Glaubens zu teilen". Das sei ein Tribut an seinen aus dem tief katholischen Land stammenden Vorgänger Johannes Paul II. Dieser hatte Messen zum Abschluss seiner Reisen nach Polen traditionell an demselben Ort gelesen wie nun Benedikt. Die Menge jubelte ihm begeistert zu und wünschte ihm mit dem polnischen Geburtstagslied "Sto Lat" ein langes Leben. Benedikt gestaltete seine Reise nach Polen - die zweite Auslandsreise seines Pontifikats - bewusst als Reminiszenz an seinen Vorgänger.

Gläubige zu Tränen gerührt

Viele Teilnehmer rührte Benedikt mit seinen Worten zu Tränen. "Nach Johannes Pauls Tod dachte ich, so ein Wunder, dass ein Papst nach Polen kommt, wird sich nicht wiederholen", sagte die 27-jährige Danuta Latowska. "Und hier sind meine Träume und Gebete wahrgeworden."

In Krakau wirkte Johannes Paul II. vor seiner Wahl zum Papst als Bischof, auf der Blonia-Wiese hatte er mehrere Messen zelebriert. Bereits am Samstagabend wandte sich Benedikt dort an rund 600.000 überwiegend junge Pilger: "Ein starker Glaube muss Prüfungen bestehen, ein lebendiger Glaube muss stets wachsen", sagte er. Zuvor hatte der Papst mit einem Besuch in Wadowice, dem Geburtsort Johannes Pauls II., seinem Vorgänger Ehre erwiesen.

Verbeugung vor Johannes Paul II

Eine riesige Menschenmenge wartete beim Eintreffen Benedikts vor der Kirche, in der Karol Wojtyla getauft wurde. "Ich konnte Wadowice nicht auslassen bei meiner Pilgerreise in Polen auf seinen Spuren", sagte Benedikt. "Ich wollte genau hier Halt machen, an dem Ort, an dem sein Glaube begann und reifte, um mit euch allen zu beten, dass er bald zur Herrlichkeit der Altäre erhoben wird", sagte der Papst mit Blick auf Rufe zur Selig- und Heiligsprechung von Johannes Paul II.

Nur wenige Wochen nach dem Tod von Johannes Paul im April des vergangenen Jahres hatte die Kirche das Verfahren zu dessen Seligsprechung auf den Weg gebracht. Eigentlich sieht der Vatikan hierfür eine fünfjährige Wartezeit vor. Die Seligsprechung muss der Heiligsprechung vorausgehen. Die Kirche verlangt für beide Schritte den Nachweis eines Wunders, das auf den verstorbenen Kandidaten zurückgeht.

Mit seiner Reise wollte Benedikt vor allem seinen Vorgänger ehren, der in Polen immer noch großes Ansehen genießt. Der Papst sieht das Land als einen seiner wichtigsten Verbündeten, um den christlichen Glauben in einem zunehmend säkular ausgerichteten Europa zu stärken.

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Reuters/DPA