Polen hat am Samstag das Gebäude eines russischen Gymnasiums in Warschau beschlagnahmt. Das Schulgebäude gehöre nun der Stadtverwaltung von Warschau, sagte ein Sprecher des polnischen Außenministeriums der Nachrichtenagentur AFP. Die Stadtverwaltung hatte demnach einen Gerichtsvollzieher beauftragt, um das Gebäude zu beschlagnahmen.
Die Stadt Warschau habe das Gebäude "in Besitz genommen", verkündete Vize-Bürgermeister Tomasz Bratek am Nachmittag. Die russische Seite habe sich zunächst "geweigert", das Schultor und die Türen zu öffnen, sagte Bratek der polnischen Nachrichtenagentur PAP. "Wir mussten einen Schlosser rufen, der uns mit seinem Werkzeug den Zugang zum Gelände ermöglichte." Daraufhin habe der Stellvertreter des russischen Botschafters die Schulschlüssel ausgehändigt.
Polizisten und polnische Behördenvertreter betraten schließlich die Schule, wie ein AFP-Fotograf beobachtete. Kurz darauf wurden Gegenstände aus dem Gebäude gebracht und in Fahrzeuge mit Diplomatenkennzeichen geladen.
Russland erzürnt
Das russische Außenministerium erklärte, es stufe die Beschlagnahmung des Schulgebäudes als "einen weiteren feindseligen Akt der polnischen Behörden und einen eklatanten Verstoß gegen die Wiener Konvention von 1961" ein. Es kündigte eine "harte Reaktion und Konsequenzen für die polnischen Behörden und die Interessen Polens in Russland" an.
Der russische Botschafter in Polen, Sergej Andrejew, sprach von einem "illegalen Akt". Die Beschlagnahmung sei "ein Eindringen in eine diplomatische Einrichtung", sagte er der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti.
Der Botschafter wies zudem darauf hin, dass Lehrer und Mitarbeiter auf dem Schulgelände wohnten. Der Schulbetrieb werde in anderen Räumlichkeiten der Botschaft fortgesetzt, um den Schülerinnen und Schülern "ein gutes Ende des Schuljahres" und Prüfungen zu ermöglichen.
Polen verteidigt sich
Warschaus Bürgermeister Rafal Trzaskowski betonte am Abend im Onlinedienst Twitter, dass das Schulgebäude "keinen diplomatischen Status hat und durch keinerlei Immunität geschützt ist". Seinen Angaben zufolge wurde mit der Beschlagnahmung ein Urteil eines Warschauer Gerichts von Januar 2016 umgesetzt, mit dem Russland zur Rückgabe des Gebäudes verpflichtet worden sei.
Das Gebäude war 1945 verstaatlicht und 1953 von den Kommunisten der Sowjetunion übereignet worden. Nach Einschätzung der polnischen Behörden gab es dafür aber keine rechtliche Grundlage.