Es ist nicht so, dass Lucas Papademos nicht schon länger eine Stimme der Vernunft wäre im Tohuwabohu der Globalisierung. 2005 etwa warnte er indirekt vor der US-Immobilienblase, die ein paar Jahre später zahlreiche Banken ins Wanken brachte und deren Zusammenbruch dann die Weltwirtschaft mit in den Abgrund riss. Als bekannt wurde, dass sich Griechenland den Weg in die Eurozone erschwindelt hatte, blieb Papademos von Kritik verschont: Er hatte schon in den 90er Jahren als Notenbankchef des Landes die Haushaltskonsolidierung und die Liberalisierung der Märkte vorbereitet - und damit die hohe Inflation innerhalb weniger Jahre gedrückt.
In anderen Worten: Der Ökonom war maßgeblich für die Aufnahme Griechenlands in die Eurozone verantwortlich, wurde dafür allerorten gelobt, und nun soll der 64-Jährige neuer Regierungschef des Landes werden. Zumindest übergangsweise. Seiner Ernennung ging ein extrem zähes Ringen der beiden Großparteien Pasok und Nea Demokratia voraus. Mal sollte es Papademos machen, dann wieder nicht. Mal scheiterte es daran, dass der Neue über die Wahl hinaus an der Spitze der Regierung bleiben wollte, mal daran, dass sich die Parteien nicht auf grundsätzliche Modalitäten des Machtwechsels einigen konnten. Doch nun ist es geschafft. Und es ist ausgerechnet der Architekt des Währungsbeitritts geworden.
Schon immer auf Preisstabilität Wert gelegt
Aber warum auch nicht? Lucas Papademos jedenfalls ist ein Fachmann, wenn auch ohne Erfahrung im politischen Alltag. Bereits 2009, als sich die Krise abzeichnete, wollte ihn Georgios Papandreou in die Regierung holen, er sollte eine Schlüsselposition als Minister für Finanzen und Wirtschaft bekommen, doch Papademos lehnte ab. Zu dem Zeitpunkt saß er als griechischer Abgesandter auf einem der Vizedirektorenposten bei der Europäischen Zentralbank (EZB).
Dort vertrat er einen Kurs, den vor allem deutsche Ohren gerne hören: Die EZB wollte er aus allen politischen Entscheidungen raushalten, und zudem legte er großen Wert auf eine Geldpolitik, die die Inflation möglichst gering hält. Damit lag er inhaltlich auf einer Linie mit dem damaligen Notenbankpräsidenten Jean-Claude Trichet. Schon in seiner Zeit als griechischer Notenbankchef verfolgte er das Credo, dass sich Wirtschaftswachstum und Preisstabilität wechselseitig verstärkten. Das war Ende der 80er, Anfang der 90er noch kein volkswirtschaftliches Allgemeingut wie jetzt.
Raus aus den Kulissen, ab auf die Bühne
Sein Handwerk lernte der gebürtige Athener an Nobelpreisschmiede Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge bei Boston - erst als Elektrotechniker, später promovierte er in Wirtschaftswissenschaften. Es folgte eine lange akademische Karriere, die seinem Ruf als Ökonomie-Experte begründete. Als Wissenschaftler mag er großes Ansehen genießen, besonderes Charisma aber wird Papademos nicht nachgesagt - ein Umstand, der ihm bei der anstehenden Herkulesaufgabe hinderlich sein könnte.
Papa ...
... bedeutet im Griechischen außer Vater auch Priester. Als Bestandteil des Nachnamens bedeutet das: Sowohl Ex-Regierungschef Giorgos Papandreou als auch Neu-Ministerpräsident Lukas Papademos hatten einen Geistlichen als Ahnen. Anders als bei den Katholiken gilt das Zölibat in der Orthodoxen Kirche nur für hochrangige Würdenträger.
Denn nicht weniger als die Rettung Griechenlands hat der künftige Ministerpräsident vor Augen. Auch wenn ihm die angestrebte große Koalition die Unterstützung des Volkes sichern soll - angesichts extrem harter Sparmaßnahmen wird der Widerstand der Straße massiv sein. Als Regierungschef muss Papademos aus den Kulissen heraustreten und auf der politischen Bühne die Hauptrolle geben. Für Papademos stellt sich allerdings weniger die Frage, ob Griechenland an der Gemeinschaftswährung festhält oder die Segel in der Eurozone streicht. Vielmehr wird es für ihn darum gehen, seine Landsleute davon zu überzeugen, dass es wohl nur mit den von den Europartnern geforderten scharfen Einsparungen eine Chance auf eine mittelfristige Erholung des Landes gibt.
Papademos stand selten im Licht der Öffentlichkeit, hinter den Kulissen aber mischte er umso aktiver mit. Unter seiner Ägide führte die EZB Finanzstabilitätsberichte ein, die zweimal jährlich erscheinen. Papademos gilt zugleich als Arbeitstier und wird wegen seines scharfen Verstands geschätzt. Den wollte er zum Schluss offenbar etwas ruhen lassen, denn nach seiner achtjährigen Amtszeit als Vize-Direktor schied Papademos 2010 aus der EZB aus, seitdem hat er kein Amt mehr bekleidet. Nun kehrt er zurück in seine Heimat. Bereits 2008 hatte er gefordert, dass die Euroländer stärker zusammenarbeiten müssten, um die Gemeinschaftswährung zu stärken. Zumindest im EU-Ausland wird man sich über solche Äußerungen freuen.