PRESSESTIMMEN »Die Presse« über »neokoloniale Bevormundung« durch Berlin

Die konservative österreichische Zeitung »Die Presse« kritisiert eine »neokoloniale Bevormundung« Österreichs durch Deutschland:

»Es ist eine Fehlkalkulation zu glauben, die Rockschöße Deutschlands seien der wichtigste Anhaltspunkt für die österreichische Außenpolitik. Dieser Glaube ist für die Republik ebenso falsch wie jener der SPÖ, mit Hilfszügen aus dem Reich wieder zu einer siegreichen Kraft zu werden. Dazu ist die Sensibilität in Österreich gegenüber neokolonialer Bevormundung aus Deutschland viel zu groß. Auch wenn Wien gute Nachbarschaft in alle Richtungen braucht, so besteht doch einzig in jener mit Berlin die Gefahr der Vereinnahmung.

Dies umso mehr, als (Bundeskanzler Gerhard) Schröder nicht der erste ist, der seinen diesbezüglichen Trieben freien Lauf lässt, der irgendwie meint, es gäbe eine deutsche Sonderkompetenz, Einfluss darauf zu nehmen, wie in Österreich regiert wird. (...) Bei Schröder mischt sich offensichtliche (rhetorisch kaum bemäntelte) Verachtung für das kleine Alpenvolk mit jenem Kolonialherren-Gehabe. Und diese Mischung ist ziemlich unerträglich. Es ist ein Fehler Wolfgang Schüssels, Gerhard Schröder trotz seiner Unhöflichkeiten zu empfangen.»