Skandal in Großbritannien "Schande" und "Räuberpistolen-Tory": Wie die britische Presse Johnsons "Partygate" zerreißt

Boris Johnsons "Partygate" ist gefundenes Fressen für die britische Presse
Boris Johnsons "Partygate" ist gefundenes Fressen für die britische Presse
© Twitter-Screenshots
Die Rufe nach Boris Johnsons Rücktritt werden immer lauter. Seine "Partygate"-Affäre erhöht den politischen Druck – für die britischen Medien ein gefundenes Fressen. Ein Blick auf die Titelseiten.

Für Boris Johnson sieht es düster aus. Nach Berichten über mehrere Regierungspartys im Corona-Lockdown hatte zunächst die Opposition den Rücktritt des britischen Premierministers gefordert. Doch nachdem immer mehr pikante Details der Veranstaltungen ans Licht kommen, wenden sich inzwischen auch Teile seiner eigenen Partei von ihm ab – auch weil die sogenannte "Partygate"-Affäre den Konservativen zunehmend die Unterstützung kostet. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag der "Times" liegt die oppositionelle Labour-Partei inzwischen zehn Prozentpunkte vor Johnsons Tories – der größte Abstand seit acht Jahren.

Johnson hatte sich am Mittwoch im Unterhaus für eine Gartenparty in der Downing Street während des ersten Corona-Lockdowns im Mai 2020 entschuldigt. Er habe angenommen, es handle sich um ein Arbeitstreffen, dies sei rückblickend falsch gewesen. Johnsons Büroleiter hatte per E-Mail rund 100 Mitarbeiter eingeladen und noch betont: "Bringt Euren eigenen Alkohol mit." 

Für die britische Presse sind die Eskapaden des Premier ein gefundenes Fressen. Ein Blick auf die Titelseiten am Donnerstag.

Für den "Daily Mirror" genügt ein einziges Wort: "Schande" lautet die Schlagzeile, die in großen weißen Buchstaben über einem Bild von Johnson während seiner Entschuldigung im Unterhaus prangt. In einem längeren Untertitel schreibt der "Mirror": "Erst sagte Johnson, dass keine Regeln gebrochen wurden … dann sagte er, er wisse nichts von Partys … jetzt gibt er zu, dass er auf einer von ihnen war … aber nicht wusste, dass es eine Party war."

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Die "Times" veröffentlicht das Bild eines grimmig dreinblickenden Johnson im Unterhaus – zusammen mit der Schlagzeile "Trotziger Premierminister weigert sich aufzuhören während Umfragen weiter abrutschen". Wie die Zeitung berichtet, zeigte sich Johnson auch im Gespräch mit Parteikollegen trotzig. Er persönlich habe nichts falsch gemacht, soll er bei einem Treffen gesagt haben.

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Mit seiner Entschuldigung habe sich Johnson Zeit gekauft, kommentiert die "Times". Dennoch sei der parteiinterne Widerstand groß. "Es ist vorbei. Es ist nicht zu verteidigen und es ist erstaunlich, wie wenig Unterstützung er innerhalb der Fraktion hat", zitierte das Blatt ein Kabinettsmitglied.

Auch der "Guardian" richtet sein Hauptaugenmerkt auf ein mögliches politisches Ende Johnsons. "Die Zukunft des Premierministers auf Messers Schneide nach der Nr. 10. Party-Entschuldigung", lautet die Schlagzeile, die auf die berühmteste Hausnummer Londons – Johnsons Amtssitz in der 10 Downing Street – anspielt.

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Die "Financial Times" fokussiert sich auf den wachsenden Widerstand innerhalb der konservativen Partei. Die Überschrift lautet: "Johnson nach Teilnahme an Lockdown-Party mit Kündigungsforderungen von Tories konfrontiert". Auch die britische Morgenzeitung "i" titelt "Tories fordern Boris Johnson zum Rücktritt auf".

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Der "Telegraph" geht mit seiner Schlagzeile "Sunak lässt Johnson in der Schwebe" einen etwas anderen Weg und konzentriert sich auf die halbherzige Unterstützung des britischen Finanzministers Rishi Sunak für den in Ungnade gefallenen Premierminister.

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Auf der Titelseite der Tageszeitung kommentiert Kolumnistin Juliet Samuel mit scharfer Zunge: "Boris Johnsons Entschuldigung für die Teilnahme an einer Party in der Downing Street während des Lockdowns im Mai 2020 hat ihm vielleicht etwas Zeit verschafft. Doch ob sie seine politische Karriere gerettet hat, ist fraglich. Die Unterstützung durch seine eigene Hinterbank im Unterhaus war gedämpft, was darauf hindeutet, dass die Tory-Abgeordneten sich nun ernsthaft fragen, ob er das Ergebnis einer unabhängigen Untersuchung der Ereignisse überleben wird (...)."

Im Gegensatz zu den eher kritischen Berichten am Anfang der Woche, schlägt die "Daily Mail" nun sanftere Töne an und titelt "Operation Rettet Boris". Nur die "lauwarme Unterstützung Rishis" könne Ärger bedeuten, schreibt die konservative Zeitung.

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Deutliche Worte findet hingegen der "Daily Record". Seine fettgedruckte Schlagzeile "Cock and Bull Tory" heißt übersetzt so viel wie "Räuberpistolen-Tory" – und auch der "National" hält sich nicht zurück und titelt schlicht und einfach "Lügner".

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Auch die auflagenstarke Boulevardzeitung "Metro" stellt mit ihrer "Sorry…not sorry"-Schlagzeile die Entschuldigung des Premiers infrage – der "Star" setzt noch einen drauf und titelt "Regeln sind nur für einfache Leute!"

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Die Zukunft von Boris Johnson bleibt weiter ungewiss. Noch hat der Premierminister einen Rücktritt nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Er bat jedoch darum, das Ergebnis einer laufenden internen Ermittlung abzuwarten, die sich mit mehreren mutmaßlichen Lockdown-Partys in der Downing Street beschäftigt. Damit das Parlament über Johnsons Zukunft abstimmen kann, müssen 15 Prozent der 360 konservativen Abgeordneten dem Premier ihr Misstrauen aussprechen. Davon ist er aber offiziell noch weit entfernt.

Neuen Fragen der Medien musste sich der Premier am Donnerstag erstmal nicht stellen. Weil ein Familienmitglied positiv auf Corona getestet wurde, sagte Johnson einen geplanten Besuch in einem Impfzentrum ab.