Vorwahlen in Iowa "Die Demokraten haben ihre Kandidaten der Lächerlichkeit preisgegeben"

Ein Mann geht an einem Schild für die Vorwahl in Iowa vorbei
Die erste Vorwahl der Demokraten im US-Präsidentschaftsrennen ist im Chaos versunken
© Charlie Neibergall/AP / DPA
Die erste Vorwahl der US-Demokraten in Iowa war vor allem eines: chaotisch. Die Presse sieht die Demokraten in einer extrem schlechten Situation. Kommentare aus Deutschland und dem europäischen Ausland.

Die Pressestimmen aus Deutschland zu den Vorwahlen in Iowa:

"Mittelbayerische Zeitung": "Je länger es dauert, bis die Partei den Sieger kürt, desto weniger bedeutet der Preis. Dass sich in der Wahlnacht alle irgendwie zu Gewinnern erklärten, mag verständlich sein, schadet aber der Glaubwürdigkeit der Kandidaten. Mit der Verkündigung von "Schein-Siegen" begeben sie sich auf postfaktisches Terrain, das bisher Donald Trump vorbehalten war." 

"Badisches Tagblatt": "Der Kampf ums Weiße Haus hat nicht gut angefangen für die US-Demokraten. Dabei ist das Auszählchaos von Iowa nicht das eigentliche Problem, sondern lediglich ein Spiegelbild der Situation in den Reihen der Gegnerschaft des Amtsinhabers. Joe Biden - für manche europäische Beobachter ist der 77-Jährige ein Hoffnungsträger -, wurde offensichtlich schon in Iowa in seine Schranken verwiesen. Warren und Sanders verkörpern das linke Amerika. Sie werden ihre Stimmen bekommen, Trump allerdings ebenso wenig das Fürchten lehren, wie Jeremy Corbyn Ende des vergangenen Jahres Boris Johnson in Großbritannien Angst machen konnte. Wie Corbyn sind Warren und Sanders höchstens innerparteilich mehrheitsfähig."

"Kölner Stadt-Anzeiger": "Dass die Kandidatenkür der US-Demokraten in Iowa zunächst ohne Ergebnis endete, ist weit mehr als eine technische Panne, sondern wirkt wie ein fataler Beweis der Unfähigkeit. Eine Partei, die den Präsidenten sehr zu Recht der versuchten Manipulation einer Wahl bezichtigt, muss eine Mini-Abstimmung mit 200.000 Wählern so organisieren können, dass keine Zweifel an Verlauf und Ergebnis aufkommen."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung":  "Aus dem Schub, den sich Trumps Möchtegern-Herausforderer von den weithin beachteten Wählerversammlungen im Mittleren Westen erhofften, ist erst einmal nichts geworden. Statt dessen wird über die Kompetenz der Demokraten geredet. 'Iowa' dürfte genug Munition hergeben, um ihnen Unfähigkeit zu regieren vorzuwerfen. Dass schon wieder geraunt wird, das 'System', also die Parteiführung, habe ein unliebsames Ergebnis unterdrücken wollen, gibt einen Vorgeschmack auf das, was in den kommenden Monaten vielleicht noch an Verschwörungstheorien auf den politischen Markt geworfen wird. Die Demokraten müssen jetzt ganz schnell die Kurve kriegen und in puncto Wählermobilisierung eine Schippe drauflegen. Für den Amtsinhaber wird das keine schlechte Woche."

"Emder Zeitung": "Gleich zu Beginn des Wahljahres läuft es alles andere als rund für die Demokraten, die eigentlich den amtierenden Präsidenten im November ablösen wollen. Aber so sicherlich nicht. Die Aussichten sind nicht eben rosig, auch weil sich bislang noch kein ernsthafter Gegenkandidat herausgeschält hat. Und das laufende Amtsenthebungsverfahren wird seinen Betreibern einen weiteren Tiefschlag versetzen. Davon darf man vor der heutigen endgültigen Abstimmung zweifellos ausgehen. Dass sich nach der Vorwahl gleich mehrere Kandidaten zum Sieger erklärten, ist fast schon beängstigend und nährt Zweifel an der Seriosität der Bewerber. Eine Art Tragikomödie, wie sie Hollywood nicht besser hätte schreiben können."

"Rhein-Zeitung": "Gerade in diesem Jahr geht es in den USA mehr denn je um die Machtfrage. Entscheidend wird sein, welcher Demokrat dem Amtsinhaber Donald Trump wirklich gefährlich werden kann. Es wird um die richtige Strategie gehen und darum, sich mit möglichst wenigen Fehlern angreifbar zu machen. Die Demokraten aber sind in dieses Wahljahr mit dem exakten Gegenteil gestartet: Sie haben ihre Kandidaten der Lächerlichkeit preisgegeben. Über eine Strategie mag da schon gar keiner mehr reden. Dabei ist Iowa erst der Auftakt des wohl schmutzigsten Wahlkampfes aller Zeiten. Trump und sein Team werden für den Machterhalt tricksen, lügen, aber auch überzeugen. Die Demokraten wirken da gerade wie eine überforderte Schülermannschaft, die ein Eigentor geschossen hat. Keine gute Voraussetzung, um die so wichtigen, wenigen Wechselwähler zu überzeugen."

Iowa: stern-Korrespondent Nicolas Büchse über das Wahl-Chaos der Demokraten
stern-Korrespondent Nicolas Büchse über das Wahl-Chaos der Demokraten in Iowa
© stern-online
"Was für ein Desaster": stern-Korrespondent über das Wahl-Chaos der Demokraten in Iowa

... und aus dem Ausland

"NZZ" (Zürich): "Die Reaktion von Donald Trump war so vorhersehbar wie schonungslos. Wie sollten die Demokraten denn bitte das Land regieren, wenn sie nicht fähig seien, eine Wahl in Iowa durchzuführen? (...) Dazu kommt, dass das Debakel nicht die Folge einer rekordhohen Beteiligung war. Laut Schätzungen dürften ähnlich viele Leute gewählt haben wie vor vier Jahren. Damit wurde der Höchstwert von knapp 240.000 Teilnehmern im Jahr 2008 klar verpasst, als es den Demokraten letztmals gelungen war, später das Weiße Haus zurückzuerobern. Die Erwartungen der Demokraten, dass sich aufgrund der Ablehnung Trumps an ihrer Basis ein solcher Zustrom wiederholen würde und sich daraus Hoffnung für den November schöpfen ließe, haben sich nicht erfüllt. Vor diesem Hintergrund hat Trump recht mit seiner Aussage, er sei die einzige Person, die nach diesem Wahlabend einen Sieg verzeichnen könne."

"Rossijskaja Gaseta" (Moskau) : "Der Auftakt der US-Präsidentschaftswahlkampfs erwies sich als beispielloser Reinfall für die Demokraten. Bei dem neuen System zur Zählung der Wahlergebnisse gab es ein ernstes technisches Problem. (...) Die Blamage war so offensichtlich, dass die Organisatoren vor Ort zugaben, von der neuen Technologie enttäuscht zu sein. Es wurde auf Grundlage einer speziellen Anwendung für Smartphones unter anderem auch deshalb entwickelt, um das Risiko von Hackerangriffen auf die Abstimmung zu minimieren. Auch wenn es keine Hacker waren, die ihre Finger im Spiel hatten, wurde das Programm lahmgelegt."

"Aftonbladet" (Stockholm): "Die Vorwahl in Iowa endete im App-Chaos für die Demokraten. Das ist willkommene Munition für die konservative Sphäre, die gerne Verschwörungstheorien verbreitet. Kandidat der Republikaner wird Donald Trump - wer von den Demokraten aber am besten gegen ihn antreten sollte, das ist weit weniger klar. Bernie Sanders ist ein 78-jähriger weißer Mann mit einer politischen Agenda, in der ein Großteil der Politik nicht durchzubringen sein würde. Weil diese unter anderem die Ölindustrie und Arbeitgeber hart treffen würde, hätte Sanders zudem mächtige Kräfte gegen sich. Es ist schwer vorstellbar, wie Sanders wirklich Trump herausfordern soll. Was wohl Joe Biden zur plausibelsten Wahl als Gegner von Trump macht."

"La Repubblica" (Rom): "Eine "systemische Katastrophe" nannte es ein Parteioberer der Demokraten in Iowa. Das lange Vorwahlrennen um den Herausforderer von Donald Trump beginnt schlecht. Chaos bei der Stimmenauszählung, Ineffizienz, Inkompetenz und Kontroverse: Es hätte kaum einen schlechteren Start für diejenigen geben können, die am 3. November den Mieter des Weißen Hauses verdrängen wollen. Der "Caucus" im Bundesstaat Iowa (...) läuft Gefahr, zu einer beunruhigenden Metapher für den Zustand der Oppositionspartei zu werden."

"Tages-Anzeiger" (Zürich): „Kritik am Wahlprozedere der Demokraten gibt es schon lange. Iowa ist ein landwirtschaftlich geprägter Staat, in dem neun von zehn Wählern weiß sind. Repräsentativ ist das schon lange nicht mehr, nicht für die Demokratische Partei, nicht für Amerika. Und schaut man sich die Zahl der Delegierten an, die in Iowa vergeben werden, spielt der Bundesstaat ohnehin keine Rolle: Hier werden nur 41 der 3979 Delegierten bestimmt, die im Juli den demokratischen Kandidaten nominieren. Ihre ganze Bedeutung zog die Vorwahl jeweils daraus, dass sie - mitsamt ihrem komplizierten Ablauf - als Erste folgt und den Ton für den weiteren Verlauf des Wahlkampfs setzen soll. Den Ton gesetzt: Das haben die Demokraten mit diesem Chaos tatsächlich. Sie haben sich als unfähig erwiesen, eine Wahl durchzuführen, auf die das Land nun so lange gewartet hat. Freuen kann sich über solche Gegner nur einer: Donald Trump."

"Der Standard" (Wien): "Ohne einen Kandidaten, auf den sich alle jene einigen können, die genug haben von Trumps Rassismus, seinem Sexismus und der Klüngelei seines Umfelds, hat der Präsident leichtes Spiel. Auch wenn es zwischen Küste und Küste noch genügend freie Strecken gibt, wo der demokratische Wahlkampfzug Fahrt aufnehmen kann: Folgen weitere Pannen, kommt Trump seinem Ziel 'four more years' immer näher. Die verpatzte Wahl in Iowa wäre dann nur der Anfang von Ende."

DPA · AFP
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