Die rot-schwarze Regierungskoalition in Österreich ist nach nur eineinhalb Jahren am Ende. Beide Koalitionsparteien zeigten sich damit einverstanden, das Parlament aufzulösen und baldige Neuwahlen herbeizuführen. Der sozialdemokratische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer gab darüber hinaus seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur bekannt. Die Wahlen könnten nach dem österreichischen Wahlrecht bereits Mitte September stattfinden.
Die politische Lawine war am Morgen durch den Vorsitzenden der konservativen ÖVP, Wilhelm Molterer, ausgelöst worden, der die Koalition mit der SPÖ aufkündigte und Neuwahlen forderte. Er selbst werde als Spitzenkandidat seiner Partei antreten, erklärte Molterer.
Am Mittag gab Gusenbauer dann bekannt, dass an seiner Stelle der erst vor drei Wochen nominierte SPÖ-Parteichef und Verkehrsminister Werner Faymann die Sozialdemokraten in den Wahlkampf führen werde. Faymann gab bekannt, dass auch seine Partei Neuwahlen zustimmen wolle, die nach der Auflösung des Nationalrats in dieser Woche beschlossen werden könnten.
Gusenbauer gab dem bisherigen Koalitionspartner die Schuld am Scheitern der Regierung. "Die Wahrheit ist, dass sie (die ÖVP) das Wahlergebnis nie akzeptiert hat." Die Volkspartei habe sich in den vergangenen eineinhalb Jahren "bemüht, die Arbeit der Regierung zu behindern und sich als Mühlstein für die gemeinsame Arbeit erwiesen", meinte der Kanzler. Molterer seinerseits begründete die Forderung nach Neuwahlen mit den innerparteilichen Streitigkeiten bei den Sozialdemokraten und deren neuer Europapolitik.
Verzwickte Umfrage-Ergebnisse
Nach jüngsten Umfragen liegt die ÖVP zurzeit deutlich vor der SPÖ. Eine Alleinregierung scheint jedoch ebenso unmöglich, wie die Bildung einer stabilen Koalition der ÖVP mit einer der drei kleineren Parteien. SPÖ-Spitzenkandidat Faymann schloss zudem eine Koalition mit der rechtsgerichteten Freiheitlichen Partei (FPÖ) aus.
Die SPÖ war bei der Wahl am 1. Oktober 2006 überraschend stärkste Fraktion vor der bis dahin regierenden ÖVP geworden. Nach dreimonatigen, zähen Verhandlungen wurde die rot-schwarze Koalitionsregierung unter Gusenbauer dann im Januar 2007 vereidigt. In den folgenden 18 Monaten blockierten sich beide Koalitionspartner jedoch bei allen wichtigen Reformvorhaben. Erst am Sonntagabend war beispielsweise eine seit Monaten verhandelte Gesundheitsreform für das Land gescheitert.
In der vergangenen Woche hatten alle drei kleinen Oppositionsparteien Misstrauens- oder Neuwahlanträge im Parlament eingebracht.
In den vergangenen Wochen hatten zudem zahlreiche Spitzenpolitiker der SPÖ, darunter Wiens Bürgermeister Michael Häupl, indirekt die Ablösung des Kanzlers gefordert. Erst unter massivem Druck hatte der Kanzler den Parteivorsitz an Faymann abgegeben, der deutlich bessere Umfragewerte hat. Seine Partei beschloss allerdings, an der umstrittenen Wende in der Europapolitik festzuhalten und künftig die Bevölkerung über wichtige EU-Verträge abstimmen zu lassen. Der Vertrag von Lissabon ist davon aber nicht betroffen. Er wurde bereits vom Parlament ratifiziert.