Damals schien es ein guter Schachzug. Gordon Brown schwamm auf der Welle des Erfolgs. Um die traditionelle Zielgruppe der Arbeiterschaft zu umgarnen, versprach der britische Premier bei seiner Parteitagsrede im Herbst 2007: "Britische Jobs für britische Arbeiter." Jubel brandete auf. Heute demonstrieren jene britischen Arbeiter mit genau diesem Slogan gegen ausländische Arbeiter. In einer der schwersten Rezessionen des Landes fürchten die Briten um ihre Jobs. Zum Jubeln ist keinem mehr zumute. Von der Globalisierung wollen viele Menschen in der Krise wenig wissen.
Zwar hat Browns Spruch heute wie gestern für viele einen faden Beigeschmack - so hob die Opposition hervor, dass sich bereits die rechte Nationalpartei BNP der Worte des Premiers bediente. Doch vor knapp eineinhalb Jahren war Großbritannien noch nicht in der Rezession. Und damals machte sich noch nicht die Sorge um einen neuen Protektionismus breit. So warnte Wirtschaftsminister Peter Mandelson am Wochenende: "Protektionismus wäre der todsichere Weg von der Rezession in die Depression."
Weltuntergangsstimmung in Großbritannien
Grund für die Proteste war ein Auftrag des französischen Energiekonzerns Total für ein italienisches Unternehmen, in Lindsey an der englischen Ostküste eine neue Raffinerie zu bauen. Das Unternehmen brachte seine eigenen Arbeiter aus Italien und Portugal auf die Insel, um einen Neubau zu errichten. Was mit lokalen "wilden" Streiks begann, weitete sich in der vergangenen Woche wie ein Feuer im ganzen Land aus. Am Ende protestierten mehrere tausend Arbeiter von Öl- und Energiekonzernen, weitere Proteste werden für diese Woche befürchtet. Es geht nur vordergründig um rund 300 Arbeiter aus Italien und Portugal. Denn in Großbritannien macht sich seit Monaten so etwas wie Weltuntergangsstimmung breit. Täglich vermelden Unternehmen Stellenstreichungen, Banken taumeln trotz Rettungspaketen. Selbst das Wort vom Staatsbankrott geistert umher und sorgt für noch mehr Verunsicherung. Die Angst der Menschen richtet sich nun auch ganz offensichtlich gegen (oft billigere) Arbeiter aus dem Ausland. Da spielt es keine Rolle, dass EU-Bürger das Recht haben, zu arbeiten, wo immer sie in den 27 Mitgliedsländern wollen. Im Gegenteil: EU-Skeptiker scheinen jetzt im Aufwind. "Wir haben unsere Rechte abgegeben, als wir dem Gefängnis, das EU heißt, beigetreten sind", schlug der Chef der Unabhängigkeitspartei UKIP, Nigel Farage, sogleich in die Kerbe.
Gewerkschaften versuchen Ausländerfeindlichkeit abzuweheren
Zwar bemühen sich die Gewerkschaften, allen Anschein der Ausländerfeindlichkeit abzuwehren. "Der Ärger soll sich gegen den Arbeitgeber richten, nicht gegen italienische Arbeiter", sagte der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes TUC, Brendan Barber. Doch ist er sich des anderen Gesichts der Proteste bewusst. "Widerliche Elemente in unseren Städten und Ortschaften werden die Ängste der Arbeiter benutzen, um Hass und Fremdenfeindlichkeit zu schüren." Für Brown hätten diese Streiks zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können. Nach einem kurzen Aufwind im vergangenen Oktober, als er als Zauberer in der Finanzkrise gefeiert wurde, hat er mittlerweile den Bonus beim Volk verspielt: Die Umfragewerte sind wieder im Keller. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos warnte Brown vor nationalen Alleingängen in der globalen Krise. Da klingt es fast wie Hohn, dass daheim die Menschen mit seinem Slogan auf Transparenten für den Schutz nationaler Interessen protestieren. Die Worte von Tim Finch vom Institute for Public Policy Research mögen dem Premier in den Ohren klingen: "Es war ein unvorsichtiger Spruch, der ihn nun wie ein Spuk verfolgt."