Wer die genaue Urlaubsanschrift von Saddam Hussein wissen möchte, kann bei einer israelischen Internet-Seite Rat holen. Danach soll der irakische Staatschef mit der engsten Familie im «Cote d’Azur De Cham Resort» an der syrischen Mittelmeer-Küste abgestiegen sein. Schon vier Tage nach Kriegsbeginn, wollen die Autoren als einzige in der Welt wissen, soll der Präsidententross in Latakia eingetroffen sein und jetzt von syrischem Militär bewacht werden.
Bei der «Jagd nach Saddam» treibt der nahöstliche Gerüchtebasar inzwischen die wildesten Blüten. Manches erinnert an moderne Versionen der «Märchen aus 1001 Nacht». Unvergessen sind die Geschichten über den Kalifen Harun el Raschid (766 bis 809), der inkognito durch die Straßen des 762 gegründeten Bagdads streifte.
«Einsamer Wolf» mit Kalaschnikow
1200 Jahre später will wieder ein Herrscher in Bagdad unerkannt bleiben. Mit perfekter Tarnung, so besagen die «heißen Gerüchte», möchte Saddam seinen Häschern, amerikanischen und britischen Elitesoldaten, entkommen. Müllwagen sollen zu Wohncontainern und Krankenwagen zu Staatskarossen umgebaut worden sein. Nach anderer Version sitzt der 65-Jährige wie ein «einsamer Wolf» allein am Steuer eines zerbeulten Kleinlastwagens; die Kalaschnikow auf dem Beifahrersitz.
Andere wollen wissen, dass der Staatschef nach einem Vierteljahrhundert Schlaf in Palästen und Gästehäusern jetzt bei wildfremden Leuten an die Tür klopft und um ein Nachtlager bittet. Oder harrt er doch in seinem 1984 gebauten Bunker aus, in dem man angeblich sechs Monate trotz Bombenhagels überleben kann?
Erste Bombenangriffe offenbar überlebt
Fest steht: Saddam hat den ersten Bombenangriff auf Bagdad vor zwei Wochen überlebt. In einer am Freitag vom irakischen Fernsehen übertragenen Rede weist er auf jenen Bauern als Beispiel des Widerstandes hin, der fünf Tage nach Kriegsbeginn mit einem alten Gewehr einen US-Hubschrauber abgeschossen haben soll. Fest steht auch, dass alliierte Soldaten seinen Palast mit Angelteichen am Tharthar-See nördlich von Bagdad verlassen vorfanden.
Offen bleibt, ob die zuletzt vom irakischen Fernsehen ausgestrahlten Bilder mit einem scherzenden Saddam aktuell waren oder aus dem Archiv stammen. Und warum ließ Saddam seinen Aufruf zum Dschihad, dem Heiligen Krieg, nur verlesen? Das US- Verteidigungsministerium jedenfalls hält die Fernsehbilder von Saddam seit Kriegsbeginn allesamt für veraltet. Sie seien nach Überzeugung von Pentagon-Experten alle zuvor aufgenommen worden, berichtete der US-Nachrichtensender CNN am Donnerstag.
Alle Gerüchte über einen Ortswechsel ins Ausland hat die irakische Führung vehement dementiert. Das seien wiederholte Lügen, die zuerst vom Pentagon in die Welt gesetzt worden seien. Manches Gerücht könnte wirklich eine gezielte Spekulation im Rahmen der psychologischen Kriegsführung sein. Die «New York Times» schreibt unter Berufung auf US-Regierungskreise, dass die Unsicherheit über Saddams Verbleib auf das Schlachtfeld geworfen werde, um bei irakischen Kommandeuren die Frage reifen zu lassen, ob sich der Kampf für einen toten oder unfähig gewordenen Führer überhaupt noch lohne.
Munteres Rätselraten
Auch die arabischen Medien beteiligen sich am munteren Rätselraten. Saddam habe schon immer die Öffentlichkeit gescheut und sich zuletzt vor zwei Jahren - geschützt durch das diplomatische Korps - bei einer Parade sehen lassen, sagen die einen. Nach anderer Meinung fürchtet er Verrat aus eigenen Reihen und ein ähnliches Schicksal wie der afghanische Führer Ahmed Schah Massud, der im September 2001 während eines Fernsehinterviews durch eine präparierte Kamera getötet worden war. Andere vermuten, dass der Iraker dem medialen Verwirrspiel von Terrorchef Osama bin Laden folgt.
Aus dem Londoner Exil meldet sich ein Mann zu Wort, der nach eigener Darstellung Doppelgänger von Saddams älteren Sohn Udai war. «Saddam wird bis zum letzten Soldaten kämpfen und bis zu seiner letzten Patrone», sagt Latif Jehjia der arabischen Tageszeitung «al Hayat».