Das Sondertribunal für die Ahndung von Regimeverbrechen im Irak zeigt wenig Transparenz. Seine Richter sind vor dem am 19. Oktober geplanten Prozessbeginn gegen Ex-Diktator Saddam Hussein nicht bekannt. Über Verfahrensschritte wurde nur in dürftigen Verlautbarungen informiert. Begründet wird dies mit Sicherheitsargumenten. Immerhin wurden im März dieses Jahres ein Untersuchungsrichter und sein Sohn auf offener Straße in Bagdad erschossen. Das Gericht war noch von der US-Besatzungsverwaltung CPA im Dezember 2003 eingerichtet und mit einem Statut versehen worden. Die nachfolgenden irakischen Regierungen sollen in Personalfragen kräftig mitgemischt haben.
Höchststrafe Todesstrafe
Das Sondergericht ist zuständig für Personen, die zwischen dem 17. Juli 1968 (Machtergreifung der Baath-Partei) und dem 1. Mai 2003 schwere politische Verbrechen begangen haben. Das Statut zählt auf: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Manipulation der Justiz, Vergeudung und Veruntreuung von öffentlichen Geldern und Ressourcen sowie die Kriegsführung gegen ein anderes arabisches Land (gemeint ist Kuwait). Die Strafmaße sollen sinngemäß nach dem irakischen Strafrecht verhängt werden. Höchststrafe ist dort die Todesstrafe.
Das Sondergericht hat einen oder mehrere Strafsenate zu je fünf Richtern sowie einen Berufungssenat mit neun Richtern. Keiner von ihnen ist der Öffentlichkeit bekannt. Das "öffentliche Gesicht" des Tribunals ist der 34-jährige Untersuchungsrichter Raid Juhi. Er saß am 1. Juli 2004 dem Ex-Diktator Saddam Hussein in einer ersten, vom Fernsehen übertragenen Vorverhandlung gegenüber, in der Saddam erstmals mit der Anklage konfrontiert wurde. Das Sondertribunal hat seinen offiziellen Sitz im ehemaligen Museum für die Präsidentengeschenke am Rande der heutigen "Grünen Zone". Ob der Prozessauftakt am 19. Oktober dort stattfinden soll oder an einem anderen Ort, ist noch unbekannt. Auch ist noch nicht klar, ob Medien zugelassen sein werden.
Anklage wegen Massakers von Dedscheel
Saddam wird am ersten Prozesstag wegen des Massakers von Dedscheel angeklagt - eine von zwölf Anklagen, die sich auf Massentötungen von Zehntausenden Schiiten, Kurden und politischen Gegnern beziehen. Saddams Schergen hatten 1982 in dem schiitischen Dorf nördlich von Bagdad 143 Menschen aus Rache für einen Attentatsversuch auf Saddam getötet.
Da es den meisten der schiitischen Attentäter damals gelungen war, sich aus dem Staub zu machen, ließ Saddam seine Wut willkürlich an anderen Einwohnern von Dedscheel aus. Er ließ Häuser platt walzen, Felder abfackeln und sperrte Hunderte von Männern, Frauen und Kindern für Jahre in ein Gefängnis in der Wüste. Dutzende von ihnen blieben verschollen. Doch 148 Sterbeurkunden von Hingerichteten haben die Menschen in Dedscheel gefunden und nun dem Sondertribunal für die Spitzen des alten Regimes übergeben. Die Dokumente und die Zeugenaussagen der Überlebenden, die damals mit angesehen hatten, wie die Verschwörer den Konvoi von Saddam angriffen und wie die Luftwaffe später den Ortskern bombardierte, sollen Saddams Schuld beweisen.
Verteidigt wird Saddam von dem irakischen Rechtsanwalt Chalil al-Dulaimi, über den wenig bekannt ist. Er blieb als einziger übrig, nachdem der Angeklagte einem Team internationaler und arabischer Anwälte in diesem August das Mandat entzogen hatte. Al-Dulaimi beschwerte sich darüber, die Anklageschrift sehr spät, nämlich erst neun Tage vor Prozessbeginn, erhalten zu haben. Er wird am 19. Oktober zunächst beantragen, die Verhandlung zu vertagen. Mit dem Ex-Machthaber stehen weitere sieben Angeklagte, unter anderem sein Halbbruder Barsan al-Tikriti und Ex-Vizepräsident Taha Jassin Ramadan, vor Gericht.
Wie wichtig es für ihn ist, nicht das Gesicht zu verlieren, zeigte sich auch bei seinem ersten Auftritt vor dem Untersuchungsrichter. "Ich bin Saddam Hussein al-Madschid, Präsident der Republik Irak", sagte er, und "(US-Präsident George W.) Bush ist der Verbrecher". Doch bevor das Sondertribunal sein Urteil verkündet, wird Saddam seine Landsleute noch einmal in Angst versetzten - Angst davor, dass der Prozess die Extremisten, unter denen zahlreiche Saddam-Loyalisten sind, zu einer neuen blutigen Welle von Anschlägen inspirieren wird.