Es hat lange gedauert, doch nun ist er da: Bundeskanzler Olaf Scholz ist gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Italiens Regierungschef Mario Draghi in die Ukraine gereist. Das Trio traf sich am Donnerstagmorgen in dem südpolnischen Grenzort Przemysl und fuhr von dort aus mit dem Zug nach Kiew, weil der Luftraum über der Ukraine wegen des Krieges seit fast vier Monaten gesperrt ist. Es ist der erste Besuch der drei Politiker dort seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte Scholz schon vor Wochen nach Kiew eingeladen. Irritationen wegen der kurzfristigen Absage einer Reise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von ukrainischer Seite standen einem Besuch jedoch zunächst im Weg. Nachdem diese behoben waren, zögerte Scholz mit dem Hinweis, er wolle sich "nicht einreihen in eine Gruppe von Leuten, die für ein kurzes Rein und Raus mit einem Fototermin was machen. Sondern wenn, dann geht es immer um ganz konkrete Dinge."
Olaf Scholz sichert Ukraine Unterstützung zu
"Es ist wichtig, wenn jetzt die Regierungschefs der drei großen Länder, die schon bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft dabei waren, nach Kiew fahren und in dieser ganz besonderen Situation des Krieges ihre Unterstützung für die Ukraine und die Bürgerinnen und Bürger der Ukraine zeigen", begründete Scholz während der knapp zehnstündigen Zugfahrt nun den Besuch. "Wir wollen aber nicht nur Solidarität demonstrieren, sondern auch versichern, dass die Hilfe, die wir organisieren, finanziell, humanitär, aber auch wenn es um Waffen geht, fortgesetzt werden wird."
Scholz, Macron, Draghi und der separat angereiste rumänische Präsident Klaus Iohannis besichtigten zunächst den von der russischen Armee zum Teil zerstörten Kiewer Vorort Irpin. Dort und in weiteren Städten der Region waren während der russischen Besetzung im März hunderte Zivilisten getötet worden. Am Mittag trafen sich die vier europäischen Regierungschefs mit Selenskyj zu einem Arbeitsessen im Marienpalast in der Hautstadt um über weitere Unterstützung für die Ukraine und deren Wunsch, in die EU aufgenommen zu werden, zu reden.
Nach dem Essen bedankte Scholz sich bei Selenskyj via Twitter für "das offene Gespräch". "Wir Europäer stehen fest an Eurer Seite", sicherte der Kanzler dem Präsidenten zu. Scholz dankte Selenskyj auch dafür, dass er die Einladung zur Teilnahme am G7-Gipfel Ende Juni angenommen habe. Dieser findet in Schloss Elmau in Bayern statt. Unklar blieb, ob der ukrainische Staatschef dafür sein Land verlassen oder wie bei anderen Treffen per Video zugeschaltet wird.
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Nachmittag sprachen sich Deutschland, Frankreich, Italien und Rumänien für einen "sofortigen" EU-Kandidatenstatus der Ukraine aus. "Alle vier" würden einen solchen Kandidatenstatus für einen EU-Beitritt unterstützen, sagte Macron.
Scholz versprach zudem weitere Waffenlieferungen, machte aber keine neuen konkreten Zusagen. "Wir unterstützen die Ukraine auch mit der Lieferung von Waffen, und wir werden das weiterhin tun, solange die Ukraine unsere Unterstützung benötigt", sagte der Kanzler. "Gerade bilden wir ukrainisches Militär an modernsten Waffen aus, an der Panzerhaubitze 2000 und am Flugabwehrpanzer Gepard." Zusätzlich habe er zugesagt, das moderne Flugabwehrsystem Iris-T zu liefern, "das eine ganze Großstadt gegen Luftangriffe verteidigen kann", so Scholz, und das Spezialradar Cobra. Scholz verwies zudem auf dreiseitige Gespräche mit den USA und Großbritannien mit dem Ergebnis, dass die Ukraine Mehrfachraketenwerfer erhalte. "Deutschland unterstützt die Ukraine massiv", so die Bilanz des Kanzlers.