Auf einem Drehstuhl in einem kahlen Raum in Stockholm, zwischen Umzugskartons und drei Bildschirmen, fläzt sich Chang Frick und spielt ein Spiel, das Schweden teilt. Die einen sagen Journalismus, die anderen sagen Brandstiftung, Chang Frick grinst und sagt: "Der übliche Medienkrieg."
Der Mann im Kabuff erreicht hunderttausende Schweden, er ist Gründer und Chefredakteur von "Nyheter Idag", einer der einflussreichsten alternativen Nachrichtenseiten Schwedens. An diesem Nachmittag macht er auf mit: "Psychisch kranker Eritreer versucht Kind zu würgen - wird nicht abgeschoben".
Neue Runde, neues Glück.
Manch einer sieht in solchen Schlagzeilen eine Bedrohung für die liberale Demokratie. "Blablabla", sagt Chang Frick.
Rechte könnten Schwedens Parlament stürmen
Chang Frick ist 34 Jahre alt, er trägt einen schwarzen Zauselbart und ein Stacheldraht-Tattoo, und dass er zugleich eine Verantwortung trägt für die politische Zeitenwende, die Schweden erfasst hat, verschafft ihm die Genugtuung des Underdogs, der es allen gezeigt hat.
Am Sonntag wählen die Schweden ein neues Parlament, und die vermeintliche Hochburg des Linksliberalismus könnte von Rechten gestürmt werden. Die Schwedendemokraten, die das Asylrecht einschränken und die EU verlassen wollen, lagen zuletzt zwischen 18 und 20 Prozent, nur einige Punkte hinter den regierenden Sozialdemokraten, gleichauf mit den konservativen Moderaten. Einige Umfragen sahen sie sogar als stärkste Kraft – im Jahr 2014 landeten sie mit knapp 13 Prozent noch abgeschlagen auf Platz drei.
Dann kam das Jahr 2015. Schweden nahm 163.000 Geflüchtete auf, und Chang Frick fand immer mehr Leser. "In mancher Hinsicht", sagt er, "wäre ein Erfolg für die Schwedendemokraten ein Erfolg für mich."
Manche sagen jetzt Dinge, die lange unsagbar waren
Es hat sich etwas verschoben in Schweden. Die rot-grüne Regierung hat die Asylpolitik verschärft, das öffentlich-rechtliche Fernsehen berichtet über Vergewaltigungen durch Migranten und erstmals dreht sich eine Wahl um Einwanderungspolitik. Der Medienforscher Kristoffer Holt von der schwedischen Linné-Universität sagt: "Das hat auch mit den alternativen Medien zu tun."
Die größten, darunter Chang Fricks "Nyheter Idag", erreichen wöchentlich rund zehn Prozent der Bevölkerung, wie die Universität Oxford ermittelte. Vergleichbare deutsche Seiten wie "PI-News" oder "Compact online" ziehen nur zwei Prozent an.
Manche Schweden sagen jetzt Dinge, die lange Zeit unsagbar waren. Der Vizepräsident des schwedischen Parlaments und ehemalige Generalsekretär der Schwedendemokraten etwa schrieb vor einigen Wochen auf Facebook: Juden und Samen seien keine Schweden.
Chang Frick nennt seine Provokationen "ein Spiel"
Zur Geschichte von Chang Frick aber gehört auch, dass er solche Äußerungen kennt. Seine Mutter ist polnische Jüdin, er wuchs auf in einem 600-Seelen-Dorf und über seine Kindheit sagt er: "Wo hört Mobbing auf und wo fängt Rassismus an?" Als einziger Schwarzhaariger unter Blonden, sagt er, ist es schwer, einen Platz in der schwedischen Gesellschaft zu finden.
Warum macht er es den Schwarzhaarigen von heute dann noch schwerer?
Er spreche doch bloß an, was schief laufe, sagt Chang Frick. "Schweden hat diesen Menschen ein Versprechen gegeben, aber Schweden hat ihnen nichts zu bieten." Das habe zu Problemen geführt, die jene verleugnet hätten, die weit weg wohnten von den Vorstadtvierteln und der Kriminalität: die Politiker, die Journalisten, das Establishment.
Es sind jene, von denen er sich immer noch ausgesperrt fühlt. Er hält sie für Heuchler.
Das Schwedische kenne einen Begriff, sagt Chang Frick: "klassförakt", die Missachtung der unteren Klassen. "Davon", sagt er, "haben wir eine Menge."
Es ist diese gefühlte Missachtung, die seinen Ehrgeiz befeuert. Und wohl auch den Erfolg von "Nyheter Idag".
Die liberale Einwanderungspolitik bis 2015 sei ein Konsens der Elite gewesen, sagt der Politikwissenschaftler Nicholas Aylott von der Stockholmer Södertörn-Universität. Viele Schweden hätten eine andere Meinung gehabt, sie aber nicht in den Parteiprogrammen gefunden und nicht in den Zeitungen. Der Medienforscher Holt sagt: "Die alternativen Medien waren unvermeidlich."
Am Sonntag schaut Chang Frick vielleicht auf der Wahlparty der Schwedendemokraten vorbei. "Wenn sie stärkste Kraft werden", sagt er, "dann werden die Verachteten zurückgeschlagen haben."
Damit meint er auch sich selbst. Am Ende des Abends wird er nach Hause gehen, und vermutlich tritt er dann noch in sein Kabuff, setzt sich auf den Drehstuhl vor die Bildschirme und macht weiter.
"Ich mag es, zu provozieren", sagt er. "Es ist ein Spiel." Er grinst.