Serbien-Montenegro Wahlen ohne Wähler

Nach drei gescheiterten Anläufen zur Wahl eines Präsidenten und der Auflösung des Parlamentes steht die serbische Demokratie seit Sonntag formal am Abgrund. Sorge bereitet vielen Beobachtern auch das gute Abschneiden des Ultranationalisten Nikolic.

Aus Verbitterung über ein politisches Taktieren haben die Wähler in Serbien ihren Politikern mit einer Stimmenthaltung einmal mehr die rote Karte gezeigt. Die Mehrzahl der 6,5 Millionen Wahlberechtigten ist den für die Präsidentenwahl am Sonntag aufgestellten Urnen auch beim vierten Stimmgang demonstrativ oder aus Desinteresse fern geblieben. Vorerst steht Serbien jetzt ohne Präsident und ohne Parlament da.

Regierungsunabhängige Wahlbeobachter sehen in der Wahlbeteiligung einen Negativrekord, warnen aber davor, grundsätzliche Schlüsse über den Willen der Menschen zur Teilhabe an der Demokratie zu ziehen. Marko Blagojevic, Sprecher der Gruppe CeSID, bezeichnete den Wahlkampf, die Berichterstattung der serbischen Medien und das Verhalten der Kandidaten als bislang fairsten Ablauf.

Wahl als Farce

Tatsächlich sahen aber viele Bürger die Abstimmung vom Sonntag wegen des Verhaltens ihrer Politiker, die Serbien mit einem destruktiven Machtkampf in die Sackgasse gesteuert haben, als politische Farce an. Dazu gab es Boykottaufrufe der Opposition und aus den Reihen bisheriger Regierungsparteien. Vom Schwung der ersten Monate nach dem Sturz des Machthabers Slobodan Milosevic ist wenig geblieben, räumen auch Regierungsvertreter ein.

"Das Parlament hat die Fähigkeit verloren, die für die Reformen nötigen Gesetze anzunehmen", erklärte Ministerpräsident Zoran Zivkovic. "Im Parlament wurde mit Mandaten gehandelt, es wurden Koalitionen geformt, die nicht mehr den Willen der Wählerschaft widergespiegelt haben." Dazu kam eine Serie politischer Skandale.

Nach den drei gescheiterten Anläufen zur Wahl eines Präsidenten und der Auflösung des Parlamentes für Neuwahlen steht die serbische Demokratie seit Sonntag formal am Abgrund. Das Ausmaß der Verfassungskrise sei in europäischen Demokratien beispiellos, warnte der Verfassungsrichter Svetozar Ciplic.

Blockaden und Stillstand gehören zum Alltag

Tatsächlich aber ist das Leben in einer von Blockaden und Stillstand geprägten politischen Landschaft schon fast zum Alltag geworden. So bleibt den Serben nur, den Blick nach vorn zu richten. Erst die Parlamentswahlen am 28. Dezember können die Balkan-Republik nach der Ermordung des Ministerpräsidenten Zoran Djindjic wieder auf Kurs bringen.

DPA
Carsten Hoffmann