Die Bilder der leblos wirkenden jungen Frau auf einem Pick-Up in Gaza gingen um die Welt. Seit gestern haben die Angehörigen der entführten 22-jährigen Shani Louk Hoffnung. Sie lebe, sie liege in einer Klinik im abgeriegelten Gaza-Streifen, allerdings "offenbar in einem kritischen Zustand". Die Familie fordert die Bundesregierung nun mittels einer Petition auf, sich für Shani einzusetzen, die neben dem israelischen auch den deutschen Pass besitzt. Die Familie kritisiert darin auch, dass sich die deutschen Behörden zu wenig Mühe gäben. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Axel Müller, der sich auf Bitten der Familie an das Auswärtige Amt wandte, widerspricht.
Die hoffnungsvolle Nachricht verbreitete sich gestern in Windeseile. Die 22-jährige Shani Nicole Louk, die am Samstag von Hamas-Terroristen gefangen genommen und verschleppt worden war, sei in einem Hospital der Hamas in Gaza gefunden worden, "in schlechtem Zustand", so Wilfried Gehr, der Lebensgefährte von Shanis Tante, die in Sulz in Baden-Württemberg lebt. Shani soll schwere Kopfverletzungen haben. Die Nachricht stamme von einem Bekannten, der in Palästina lebe, so Gehr zum stern. Sie würden seiner Verlässlichkeit vertrauen. Gehr: "Hundert Prozent sicher ist das nicht. Aber was ist in einem Kriegsland schon sicher? Wir haben keinen anderen Strohhalm." Ein weiteres Indiz sei, dass die Kreditkarte von Shani in einem Geschäft neben dem Krankenhaus eingesetzt worden sei. Ob sie behandelt wird, welche Verletzungen sie hat, sofern es sich tatsächlich um die junge Deutsch-Israelin handelt – alles unklar. "Das Krankenhaus soll angeblich beschossen, ein Arzt getötet worden sein."
Mit der Petition #Saveshani drängt die Familie Außenministerin Annalena Baerbock, den deutschen Botschafter und die Bundesregierung zur Eile: "Retten Sie unsere geliebte Shani, bevor es zu spät ist!" Es zähle "jede Minute!" Binnen eines Tages wurde die Petition schon von mehr als zehntausend Menschen unterzeichnet. In ihrem Appell kritisieren die Angehörigen fehlende Unterstützung und "Kompetenzgerangel um Zuständigkeiten" im Auswärtigen Amt. Dort, so heißt es in der Petition, beschwere man sich über Mehrarbeit durch Flug-Umbuchungen, statt Menschen zu helfen.
Wilfried Gehr berichtete von der Hoffnung der Familie, "dass wir endlich ein bisschen Bewegung reinkriegen". Allerdings seien sie inzwischen "wieder etwas zurückgeholt worden". Denn allein die Kontaktaufnahme zum Auswärtigen Amt, die sie seit dem Wochenende versuchten, sei enorm schwierig. "Einmal sind wir telefonisch durchgekommen, da hieß es, wir sollen ein Kontaktformular ausfüllen, dann würden wir innerhalb von 48 Stunden einen Anruf kriegen. Ich sagte, es geht um Leben und Tod." Die Mitarbeiterin habe ihm gesagt, sie könne ihm nicht helfen. "Dann haben wir einen Abgeordneten eingeschaltet: Axel Müller hat es geschafft und jemand vom Auswärtigen Amt ans Telefon bekommen." Müller habe erfahren, dass das Amt erst prüfen müsse, ob Israel für Shani Louk zuständig sei oder Deutschland, weil sie einen deutschen und israelischen Pass besitzt. "Wir hoffen, dass Deutschland wenigstens so clever ist, und die 50 Prozent holt", so Gehr sarkastisch.
Ein komplizierter Fall aus mehreren Gründen
Gibt es im Fall von Shani Louk ein Kompetenzgerangel, ob deutsche oder israelische Behörden für die junge Frau zuständig sind? Axel Müller, Bundestagsabgeordneter der CDU, sagt zum stern, er könne die Sorge und Ungeduld der Familie verstehen. Aber "das wäre eine Verzerrung der Tatsachen. Das Amt hat lediglich gesagt, wir haben im Moment sehr viele Einsätze. Es hat zu keinem Zeitpunkt gesagt, dass es sich in einem Zuständigkeitsgerangel befinde." Er habe am Montag sofort einen Kontakt zum Krisenreaktionszentrum des Auswärtigen Amtes bekommen. "Der Fall war dort bekannt. Mir wurde gesagt, wir arbeiten mit Hochdruck daran. Wir haben zahlreiche andere Fälle von Vermissten und Verschleppten, parallel das Thema Rückführung, weil Deutsche dort festsitzen. Deshalb kann ich nichts Negatives sagen und habe das auch den Angehörigen so wiedergegeben."
Der Fall sei aus mehreren Gründen kompliziert, so Müller. Zum einen, weil Shani Louk eine in Israel geborene israelische Staatsangehörige sei, aber auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitze, somit auch der israelische Staat Verantwortung für sie trage. Er habe den Angehörigen auch die Problematik von Ermittlungen in Israel erklärt, die wegen der deutschen Geschichte besondere Sensibilität erforderten. "Deutsche Vollzugsorgane auf israelischem Gebiet – das hat eine andere Qualität als in anderen Ländern. Ich sagte ihnen, dass es nur auf diplomatischem Weg geht."

Was das Auswärtige Amt nun konkret für Shani Louk unternimmt? "Es ist auf dem diplomatischen Dienstweg tätig und wird nicht jeden Schritt rückmelden, die sind manchmal etwas verschlungener. Das akzeptiere ich, weil dieses Vorgehen im Allgemeinen Erfolg hat." Bei einem Besuch des israelischen Botschafters Ron Prosor gestern Nachmittag in der CDU-Fraktion habe er ihm den Fall von Shani Louk vorgetragen. "Ich gehe nun davon aus, dass der Botschafter es auch auf seinem diplomatischen Dienstweg weitertragen wird."
Er verstehe, dass die Nerven der Familie blank liegen, aber die Kritik an der Arbeitsweise der Behörden könne er nicht bestätigen, er habe auch in früheren Fällen sehr gute Erfahrungen mit dem Auswärtigen Amt gemacht. "Es gibt einfach Wege der Diplomatie und tradierte Verfahrensweisen, und die muss man insbesondere im Verhältnis zum Staat Israel als deutscher Staat ganz besonders achten," sagt Axel Müller, der früher als Staatsanwalt und Richter tätig war. "Grundsätzlich gilt, wenn wir etwas von jemanden wollen, hilft es eher nicht, ihn an den Pranger zu stellen. Denn nicht jeden lässt das kalt."
Inzwischen, bestätigte Wilfried Gehr dem stern, stünden die Eltern von Shani Louk im Kontakt mit dem Auswärtigen Amt. Dort äußert man sich nur knapp zu dem Fall. Das Auswärtige Amt stehe „in engem Kontakt mit den israelischen Behörden“.
Für Deutsche, die im Ausland von schweren Unglücksfällen oder Terroranschlägen betroffen sind, gibt es eine Hotline des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), die psychosoziale Betreuung anbietet:
- 24h-Hotline: +49 228 99 550-2444
- kostenfrei: 0800 1888 433 (nur aus Deutschland erreichbar)