Der frühere Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat bestritten, dass das Auswärtige Amt eigene Erkenntnisse zum verheerenden Luftschlag in Afghanistan hatte. Er widersprach zwar nicht der Darstellung, dass ein Vertreter des Amtes in Kundus an Voruntersuchungen teilgenommen habe. Sein Ministerium habe aber "über keinerlei exklusive Informationen zum Luftangriff in Kundus" verfügt, sagte der jetzige SPD-Fraktionschef der "Frankfurter Rundschau".
In der Nähe von Kundus waren bei dem von deutscher Seite angeforderten Bombardement auf zwei gekaperte Tankwagen am 4. September nach stern-Recherchen getötet worden, darunter viele Zivilisten.
"Die Informationen, die wir hatten, waren auch der Bundeswehr bekannt und gingen in deren Gesamtbewertung ein", betonte Steinmeier. Nach seinen Angaben gab es vom ersten Tag an widersprüchliche Meldungen "über die Zahl der getöteten Taliban-Kämpfer und zivile Opfer". Steinmeier hatte in den ersten Tagen nach dem Luftangriff der Bundeswehr lediglich von "möglicherweise unschuldigen Opfern" gesprochen. Ende November forderte der SPD-Politiker als einer der ersten einen Untersuchungsausschuss, um "unverzügliche Klarheit über die Hintergründe" der Informationspannen zu erhalten.
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...lesen Sie im neuen stern, der diesmal schon am Dienstag erscheint.
Wie der stern in seiner neuen, wegen der Feiertage bereits am Dienstag erscheinenden Ausgabe berichtet, war bereits kurz nach dem Vorfall ein Vertreter des Auswärtigen Amtes über tote Zivilisten informiert. Nach stern-Informationen nahm der Vertreter des Amtes in Kundus, Burkhard Ducoffre, als ziviler Leiter des Wiederaufbauteams der Bundeswehr am 4. und 5. September an Gesprächen teil, bei denen Bundeswehrsoldaten, Militärpolizisten und Vertreter afghanischer Behörden über tote Zivilisten referierten.
Vertrauliche Protokolle zeigen, dass der belgische Stabsfeldwebel B., der am Mittag des 4. September mit einem Nato-Team in einer Ortschaft nahe dem Bombardement die Bevölkerung befragt hatte, meldete, es seien "14 Zivilpersonen getötet und 4 Zivilpersonen verwundet worden". Der Belgier kündigte eine Namensliste "zur Prüfung von Entschädigungszahlungen" an. Der deutsche Hauptfeldwebel D. bestätigte diese Meldung, sprach aber von "7 verwundeten Zivilisten". Diplomat Ducoffre war auch dabei, als am folgenden Tag ein Bezirksbürgermeister von zehn toten Zivilisten im Dorf Jacub Bay sprach.