In der syrischen Hauptstadt Damaskus haben am Dienstag mehrere hundert Menschen gegen die Resolution des UN-Sicherheitsrats demonstriert. Die Teilnehmer des Protests versammelten sich auf einem Platz in der Nähe der amerikanischen Botschaft und riefen: "Wir sind keine Kriminellen. Wir sind keine Terroristen. Wir brauchen Frieden."
Der Sicherheitsrat hatte am Montag eine Resolution verabschiedet, die Syrien zur vollen Kooperation mit den UN-Ermittlungen im Mordfall des früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri auffordert. Die Demonstration in Damaskus, an der sich etwa 300 Menschen beteiligten, wurde von einer privaten Gruppe organisiert. Sie muss jedoch die Erlaubnis der Behörden gehabt haben, da spontane Protestaktionen in Syrien sehr selten sind.
"Der Sicherheitsrat war ungerecht", sagte die Studentin Jasmin Hassun. "Syrien hätte den Libanon nicht verraten." Vor möglichen UN-Sanktionen fürchte sie sich nicht. "Wir haben nichts Falsches getan", erklärte sie. Einer der Organisatoren, Nissar Maihub, sagte, die Demonstration richte sich gegen den Druck, der auf Syrien aufgeübt werde. In der Debatte um die Resolution löste der syrische Außenminister Faruk al Scharaa einen Eklat aus.
Geheimdienste sollen über Mord informiert gewesen sein
Er bezog sich auf den Vorwurf des UN-Chefermittlers und Berliner Oberstaatsanwalts Detlev Mehlis, wonach ranghohe syrische Geheimdienstbeamte über den Mordplan informiert waren. Der syrische Außenminister entgegnete, genauso könne man behaupten, dass der US-Geheimdienst im Voraus von den Terroranschlägen am 11. September 2001 gewusst habe, der spanische Geheimdienst von den Madrider Anschlägen am 11. März 2004 oder der britische Geheimdienst von den Anschlägen auf die Londoner U-Bahn im Juli dieses Jahres.
Diese Äußerung sorgte für Entrüstung unter den Angesprochenen. Der britische Außenminister Jack Straw sprach von einem "höchst grotesken und unsensiblen Vergleich", der schlicht "empörend und absurd" sei. US-Außenministerin Condoleezza bezeichnete die Aussage Al Schaaras als "eine Tirade mit äußerst bizarren Unterstellungen". Syrien wolle damit selbst nach dem einstimmigen Sicherheitsratsvotum zu Gunsten der Resolution die Ermittlungen im Mordfall Hariri untergraben.
Syrien bittet um Sondergipfel der Arabischen Liga
Als Reaktion auf die Resolution bat Syrien unterdessen um einen Sondergipfel der Arabischen Liga. Nach Verlautbarungen aus Kairo will der Generalsekretär der Arabischen Liga einen Sondergesandten in die Golfstaaten schicken, um den Wunsch Syriens nach einem Gipfeltreffen zu erörtern. Beobachtern zufolge könnten einige Mitgliedstaaten der Liga einen solchen Gipfel ablehnen, da sie ihre Kontakte zu den USA, Großbritannien und Frankreich - den Verfassern der Syrien-Resolution - nicht gefährden wollten. Deshalb scheine ein kleineres Treffen zwischen Syrien, Saudi-Arabien, Algerien, dem Libanon und Ägypten als die wahrscheinlichere Alternative.
Der libanesische Präsident Emile Lahud erklärte am Dienstag in einer Stellungnahme, er hoffe, dass die UN-Resolution zur Aufklärung des Mordes an Hariri beitragen werde. Der Libanon werde weiter mit der UN-Kommission kooperieren, "damit sie ihre Arbeit auf professionelle und objektive Weise fortsetzen kann". Lahud, der als treuer Verbündeter Syriens gilt, geriet durch den Mehlis-Bericht selbst ins Zwielicht: Zeugenaussagen zufolge soll er kurz vor dem Anschlag auf Hariri einen Anruf vom Bruder eines der Verdächtigen erhalten haben.