Es sind Enthüllungen, die Donald Trump knapp zwei Monate vor der Wahl mächtig in Erklärungsnot bringen: Aufzeichnungen von Gesprächen, die der Investigativjournalist Bob Woodward für sein neues Buch "Rage" mit dem US-Präsidenten geführt hat, belegen, dass Trump bereits im Februar wusste, wie gefährlich das Coronavirus ist und dass er die Bedrohung durch Sars-Cov-2 absichtlich heruntergespielt hat. Doch auch Woodward sieht sich nach Bekanntwerden der Aussagen des Präsidenten unter Druck. Kritiker werfen ihm vor, dass er seine Erkenntnisse aus den Interviews erst jetzt mit der Öffentlichkeit geteilt hat.
"Wow, das ist interessant, aber ist es wahr?"
Er habe nicht gewusst, woher die Informationen des Präsidenten stammten und ob sie korrekt waren und Zeit gebraucht, um das herauszufinden, erklärte Woodward der "Washington Post" und der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) sein Verhalten. "Er sagt mir das, und ich denke: 'Wow, das ist interessant, aber ist es wahr?'" Trump sage Dinge, die nicht stimmten, rechtfertigte sich Woodward in einem Telefoninterview mit AP. Seine Aufgabe als Journalist sei es, festzustellen: "Was wusste er und wann wusste er es?"
In den sozialen Mieden hatten vor allem Berufskollegen Woodward beschuldigt, den Verkauf seines Buches, das am 15. September in den USA erscheint, über die öffentliche Gesundheit zu stellen. "Fast 200.000 Amerikaner sind gestorben, weil weder Donald Trump noch Bob Woodward etwas Substantielles riskieren wollten, um das Land auf dem Laufenden zu halten", monierte Charles P. Pierce vom US-Magazin "Esquire". Und Scott Nover, ein Reporter der Branchenzeitschrift Adweek, twitterte: "Das ist wirklich beunruhigend. Als Journalisten sollen wir im öffentlichen Interesse arbeiten. Ich glaube, hier hat es ein Versagen gegeben."
Woodwards Buch basiert auf 18 Gesprächen, die er zwischen Dezember 2019 und Juli 2020 mit Trump geführt hat. In einem Mitschnitt vom 7. Februar ist zu hören, wie der US-Präsident über das Coronavirus sagt: "Das ist tödliches Zeug." Die Krankheit sei auch "tödlicher" als eine schwere Grippe, die pro Jahr 25.000 bis 30.000 Amerikaner das Leben koste. In einem Gespräch am 19. März erklärte der Republikaner: "Ich wollte es immer herunterspielen. Ich spiele es auch immer noch gern herunter, weil ich keine Panik erzeugen will."

Woodwards "Demarkationslinie" war der 3. November
Trump habe ihn Anfang Februar "aus heiterem Himmel" angerufen, um über das Virus, das damals nur wenige Menschen in den USA infiziert hatte, "sein Herz auszuschütten", berichtete Woodward der AP. Er sei aber erst im Mai davon überzeugt gewesen, dass die Aussagen des Präsidenten auf zuverlässigen Informationen beruhten und erst zu der Zeit sei das Virus landesweit verbreitet gewesen.
"Wenn ich damals die Story gebracht hätte über das, was er im Februar wusste, hätte uns das nichts gesagt, was wir nicht wussten", erklärte Woodward. Im Mai sei es nicht mehr um die öffentliche Gesundheit, sondern um Politik gegangen. Seine Priorität sei gewesen, die Geschichte vor der Wahl im November herauszubringen. "Das war für mich die Demarkationslinie", betonte Woodward. Sein Buch erst am Ende des Jahres herauszubringen wäre für ihn "undenkbar gewesen."
Der "Washington Post" sagte Woodward, sein höchstes Ziel bestehe nicht darin, tägliche Geschichten zu schreiben, sondern seinen Lesern das große Ganze zu vermitteln und damit möglichst auch eine größere Wirkung zu erzielen, insbesondere angesichts der bevorstehenden Wahlen. Er habe sich bemüht, nicht einzelne Enthüllungen überstürzt zu veröffentlichen, sondern "die beste verfügbare Version der Wahrheit" in Buchform zu liefern, damit die Menschen am 3. November ihre Urteile fällen könnten.
Quellen: Associated Press, "Washington Post"