Ukraines Staatsoberhaupt Vom Spaßmacher zum Kriegspräsident: Wie Wolodymyr Selenskyj die Rolle seines Lebens fand

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, bei seiner Videoansprache an sein Volk am 30. Tag der russischen Invasion in Kiew
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, bei seiner Videoansprache an sein Volk am 30. Tag der russischen Invasion in Kiew
© Ukraine Presidency / DPA
Von vielen unwahrscheinlichen Wegen war der von Wolodymyr Selenskyj wohl der ungewöhnlichste. Begonnen als Komiker wurde er in Rekordzeit zum Kriegspräsidenten. Eine ZDF-Doku zeichnet nun seinen Werdegang nach.

Wolodymyr Selenskyj spricht und redet, er bittet und appelliert, er fleht förmlich. "Es geht um unser Überleben. Lasst uns nicht im Stich. Wenn wir fallen, fallt ihr auch", mahnt er. Weniger Drama geht nicht, denn sein Land, die Ukraine, wird seit Wochen von russischen Truppen in Schutt und Fetzen geschossen. Per Video wendet sich das Staatsoberhaupt an die Welt, schaltet sich in die Parlamente der EU, der USA, Deutschlands und Großbritanniens. Fast immer trägt der Kriegspräsident dabei ein olivfarbenes Shirt. Standing Ovations sind ihm sicher, manchmal lösen sich selbst die Stimmen der Dolmetscher in Tränen auf.

Selenskyjs Worte nicht immer fruchtbar

Doch zu seinem Unmut und dem der Ukrainer lösen seine sorgsam gewählten Worte nicht immer die erhoffte Reaktion aus. Kaum ein Adressat ist bereit, die erbetene Flugverbotszone umzusetzen, nicht wenige Staaten überweisen weiterhin Unsummen an Petroeuros Richtung Moskau und finanzieren so die Aggression des Kremls. Manchmal rennt der ukrainische Präsident aber auch offene Türen ein. So sagte der australische Premierminister Scott Morrison nach Selenskyjs Ansprache vor den Abgeordneten in Canberra zu, Panzerfahrzeuge vom Typ "Bushmaster" nach Osteuropa zu schicken.  

Dass Wolodymyr Selenskyj seine Paraderolle ausgerechnet im Schmerzensmann von Weltrang finden würde, hätte sich noch vor wenigen Monaten kaum jemand vorstellen können. Möglicherweise auch er selbst nicht. Sein Leben lang war der jetzt 44-Jährige der Spaßvogel. Eine Mischung aus Mario Barth, Anke Engelke und Bully Herbig. Als Schauspieler spielte er in der Serie "Diener des Volkes" den Präsidenten der Ukraine und wurde, als 2019 die letzte Staffel lief, mit 73 Prozent zum echten Präsidenten der Ukraine gewählt.

Alles Grenzen verschwimmen

Wie sich damals die Grenzen zwischen alten und neuen Medien, zwischen Realität und Unterhaltung, zwischen Oligarchie und Volksabstimmung auflösten, zeichnet nun das TV-Porträt "Wer ist Wolodymyr Selenskyj. Umstrittener Politiker, gefeierter Kriegsheld"?

Die Dokumentation zeigt den völlig unwahrscheinlichen Weg des Akademikersprösslings, der sich mit anzüglich-platten Späßchen in die Herzen der Menschen witzelte und dann die Chance auf eine Art Präsidenten-Generalprobe hatte. Er nutzte sie. Und mehr noch bespielte er die sozialen Netze virtuos. Möglicherweise sind die kurzen Clips, die Selenskyj mittlerweile nachts oder mit müden Augen aus den Straßen Kiews schickt, sein wahres Pfund als Kriegspräsident. Mal alleine, mal mit Teilen seiner Regierung zeigt er sich als standhaftes Staatsoberhaupt, das sich nicht einschüchtern oder gar vertreiben lässt. Manche tun seine perfekt inszenierten Auftritte als bloße Schauspielerei ab. Andere glauben, dass es genau ist, was dem Land hilft. 

Zu sehen ist "Wer ist Wolodymyr Selenskyj" am Montag, 11. April, 20.15 Uhr auf ZDF Info und in der Mediathek.