Ukraine – die Lage Verfolgt Russland eine neue Strategie? Militärexperte Masala warnt vor "Flüchtlingen als Waffe"

Aus der Ukraine flüchten zahlreiche Menschen
Eine Mutter umarmt ihren Sohn, der aus der belagerten Stadt Mariupol geflohen ist, und am Bahnhof in Lemberg in der Westukraine ankommt.
©  Bernat Armangue / AP / DPA
Der Krieg in der Ukraine hat bisher Millionen Menschen aus dem Land vertrieben. Und es könnten noch mehr werden, warnt der Militärexperte Carlo Masala. Das könnte eine neue russische Strategie sein.


Der Militärexperte Carlo Masala hat davor gewarnt, dass Russland vor dem Krieg flüchtenden Menschen aus der Ukraine gezielt für seine Zwecke einsetzen könnte. Masala sagte am Montag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage", eine Ausweitung der Kämpfe auf den Westen des Landes würde die Flüchtlingsbewegung verstärken. Dort hätten zahlreiche Ukrainer aus den Kriegsgebieten Schutz gesucht. "Sollte sich der Konflikt auf den Westen ausweiten, haben wir noch mal einen massiven Druck über die Flüchtlinge", warnte der Politikprofessor von der Bundeswehruniversität München.

Das Kalkül könnte sein, dass der Zustrom die europäischen Staaten dazu bewegt, Druck auf die Ukraine auszuüben, den Konflikt zu beenden. "Flüchtlinge als Waffe", sagte Masala über dieses Szenario. Etwa zehn Millionen Menschen haben nach Schätzungen der Vereinten Nationen ihre Wohnorte wegen des Krieges verlassen, rund ein Drittel davon ist bereits über die Landesgrenzen geflohen.

Prof. Dr. Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München
© Imago Images

Dr. Carlo Masala ist Professor für Internationale Politik an der Bundeswehruniversität München. 

Ukraine-Krieg könnte zum "Stellvertreterkrieg" werden

Militärisch sah Masala weiterhin wenig Bewegung. "Die Offensive pausiert jetzt erstmal", sagte er zu den Bemühungen der russischen Streitkräfte, die sich neu organisieren müssten. Die Angriffe aus der Luft würden aber andauern. In Mariupol, wo die Verteidiger ein Ultimatum abgelehnt hatten, gelte aus russischer Sicht künftig jeder als legitimes Ziel, der sich noch in der Stadt befinde. "Es droht jetzt die Vernichtung von Mariupol", warnte er.

Der Konflikt könne sich zu einem "Stellungskrieg" entwickeln, was "letzten Endes diesen Krieg extrem verlängern wird". Eine Verhandlungslösung erscheint ihm derzeit schwierig. "Man kann sich in vielen Bereichen recht gut einigen, aber im Zentrum steht die territoriale Frage Donbass", also die Zugehörigkeit der Separatistengebiete im Osten der Ukraine zum ukrainischen Staat. Die Ukraine will ihre territoriale Einheit unbedingt verteidigen, Russland hat dagegen die Gebiete als souveräne Staaten anerkannt. Die Überwindung dieses Widerspruchs sieht Masala als zentral für eine Lösung an. Die eskalierenden Vorwürfe beider Seiten würden dagegen letztlich einer Übereinkunft nicht im Wege stehen. "Das ist die Rhetorik des Krieges", sagt der Experte.

cl