Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Diese Volksweisheit mag für deutsche Rentner gelten, die in den Bierbars Pattayas die Sau rauslassen, nicht aber für einen Staat. Der heißt Thailand und das südostasiatische Königreich hat seinen Ruf gründlich ruiniert. Innerhalb von weniger als sechs Monaten haben gleich zwei Regierungen - auch noch unterschiedlicher politischer Couleur - sich als unfähig erwiesen, Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung im Keim zu ersticken. Die Gelbhemden der außerparlamentarischen Opposition besetzten Ende November Bangkoks internationalen Flughafen Suvarnabhumi und legten für eine Woche das ganze Land lahm.
Die Gelben sind eine Bewegung ohne nennenswerten Rückhalt im Volk, aber mit Rückendeckung der alten Elite aus Armee, Royalisten, Justiz und Mittelstand, und das brachte den gewünschten Erfolg: Ein Gericht machte einer gewählten Regierung den Garaus und installierte den 44 Jahre alten Abhisit Vejjajiva von der Demokratischen Partei als Ministerpräsidenten. Freilich: Ganz lupenrein-demokratisch waren die Wahlen damals nicht, die den Ex-Premier Thaksin ins Amt brachten, der 2006 wieder durch einen Militärputsch gestürzt wurde. Aber immerhin: Es waren freie Wahlen.
Thaksin-Anhänger schlagen zurück
Jetzt also haben die im Volk verwurzelten Thaksin-Anhänger der "Vereinigten Front gegen Diktatur" zurückgeschlagen. "Das war nicht wirklich eine Überraschung. Die Gelbhemden hatten ja gezeigt, dass man das Land nur in ein Chaos stürzen muss, um eine Regierung loszuwerden", sagt Canan Atilgan, Repräsentantin der Konrad Adenauer Stiftung in Bangkok. Zunächst schien die Strategie der Roten auch aufzugehen. Es war beispiellos in der jüngeren globalen Politgeschichte, dass Demonstranten ein internationales Treffen von der Größenordnung des ASEAN-Gipfels haben platzen lassen.
Die Staats- und Regierungschefs der ASEAN-Staaten plus China und Japan mussten in Pattaya mit Schnellbooten übers Meer oder vom Hoteldach per Hubschrauber vor den Politrandalierern in Sicherheit gebracht werden. Wieder hatte sich eine thailändische Regierung international bis auf die Knochen blamiert. Wie viel Vertrauen kann ein Land noch unter Investoren oder Touristen genießen, wenn Demonstranten ungehindert den Flughafen besetzen oder einfach so in das Hotel eines internationalen Gipfeltreffens marschieren können?
Wo bleibt der Außenminister
Eigentlich wäre es spätestens jetzt die Aufgabe des Außenministers, durch eine diplomatische Charmoffensive verlorenes Terrain wiedergutzumachen. Aber Thailands oberster Diplomat Kasit Piromya, ehemals Botschafter in Deutschland, hat selbst ein Imageproblem. Als gestandenes Gelbhemd hat Kasit selbst noch nach seiner Berufung ins Ministeramt die Flughafenbesetzung verteidigt und als "neue, innovative Form des Protests" gepriesen.
Aber auch der Ruf der Rothemden ist ruiniert. Bislang genossen die Thaksin-Anhänger eine breite Unterstützung im gewöhnlichen Volk und vor allem unter der Landbevölkerung. Die wird die Randale in Pattaya, als es den Mächtigen mal so richtig gezeigt wurde, augenzwinkernd gutgeheißen haben. Aber die Thaksinisten, die immerhin gut 100.000 Menschen für ihre Kundgebungen mobilisieren konnten, haben seit ihren gewaltsamen Krawallen über Ostern in Bangkok einiges an Kredit verspielt. "Es ist auch völlig unklar, was eigentlich die politischen Ziele der Rothemden waren", sagt Atilgan.
Der prominente Kritiker von staatlicher Willkür in Thailand, Pater Joe Maier, sagte in einer E-Mail an Freunde und Unterstützer seiner Stiftung in Bangkoks Armenviertel Klongtoy: "Die Bürger Bangkoks haben sich gegen die Roten gewendet. Sie sehen in den Rothemden die Zerstörer des Landes." Der streitbare Priester sagte weiter: "Die meisten der Rothemden sind angeheuert worden. Sie bekommen zwischen 500 und 1000 Baht (umgerechnet 10 bis 21 Euro) am Tag." Aber bezahlte Demonstranten sind in Thailands unendlichem Politdrama seit dem Militärputsch nichts Neues. Es war in Bangkok seinerzeit ein offenes Geheimnis, dass auch Flughafenbesetzer der Gelben von reichen Hintermännern angeheuerte "Berufsdemonstranten" waren.
Thaksin am Ende?
Thaksin ist geschwächt, vielleicht sogar am Ende. Wie es mit den Rothemden und ihrer Partei Puea Thai weitergeht, der zweiten Reinkarnation der inzwischen verbotenen Thaksin-Partei "Thais lieben Thais", wird sich erst zeigen, wenn sich der Pulverdampf der dramatischen Ereignisse von Bangkok und Pattaya verzogen hat. Gleich unter welchem Namen, die Thaksin-Partei hat alle Wahlen seit 2001 souverän gewonnen, auch die im Dezember 2007, anderthalb Jahre nach dem Militärputsch gegen Thaksin, der sein Ziel, die Ausrottung des Thaksinismus, völlig verfehlt hat.
Der Multimilliardär Thaksin mag als Ministerpräsident undemokratisch, populistisch, selbstherrlich und ein Verächter der Menschenrechte gewesen sein. Aber er hat zwei historische Verdienste errungen: Er war der erste thailändische Ministerpräsident, der durch Wahlen eine zweite Amtszeit erlangte. Das ist ihm vor allem durch eine Politik für die ländlichen Armen gelungen. Denen hatte der "thailändische Berlusconi" erstmals ein politisches Gewicht im urbanen, elitären Bangkok gegeben. "Ministerpräsident Abhisit repräsentiert nur einen Teil des Volkes", sagt Atilgan und fügt hinzu: "Um den anderen Teil hat er sich bisher nicht gekümmert."
Die Geister, die Thaksin rief, leben weiter
Wie geht es nun weiter in Thailand, dessen Wirtschaft und Tourismus durch die politischen Turbulenzen auf rasanter Talfahrt sind? Atilgan räsoniert: "Früher waren die Rothemden ein Teil von Thaksin, heute sieht es so aus, als sei Thaksin ein Teil der Rothemden geworden. Aber es ist noch zu früh um zu sagen, ob die Bewegung der Rothemden wirklich über die Person Thaksin hinaus reichen wird."
Die Geister, die Thaksin einst rief, leben also zunächst weiter. Damit geht auch der Machtkampf zwischen alter Elite und den ländlichen Massen weiter. Zumal sich politische Extremakteure nicht um Konsequenzen sorgen müssen. Einer der Anführer der Rothemden ist nun auf Kaution aus der Haft der entlassen worden. Von den gelben Flughafenbesetzern ist bis heute kein einziger verhaftet, geschweige denn angeklagt worden.