Anzeige
Anzeige

Streit in Washington Shorts und Sneaker erlaubt: US-Senat schafft Dresscode ab – und sorgt damit für mächtig Ärger

Senator John Fetterman winkt auf dem Capitol Hill in Washington Medienvertretern zu
John Fetterman winkt auf dem Capitol Hill in Washington Medienvertretern zu. Der Senator aus Pennsylvania ist bekannt für seinen legeren Kleidungstil 
© Jacquelyn Martin / Picture Alliance
US-Senator John Fetterman hasst Anzüge und trägt am liebsten kurze Hosen und Hoodies. Im Plenarsaal der Kongresskammer war das bisher tabu, doch diese informelle Regel wurde jetzt gekippt – zum Entsetzen der Republikaner.

Im US-Senat in Washington geht es künftig weniger formell zu. Die Mitarbeiter des Sergeant-at-Arms – der offiziellen Protokollpolizei der Kongresskammer – würden nicht länger für die Einhaltung einer Kleiderordnung im Sitzungssaal sorgen, teilte der demokratische Mehrheitsführer Chuck Schumer mit. "Es gab eine informelle Kleiderordnung, die durchgesetzt wurde", erklärte Schumer. Doch ab sofort könnten die Senatorinnen und Senatoren wählen, wie sie sich im Senat kleiden. Für das Personal und externe Besucher soll Geschäftskleidung dagegen verpflichtend bleiben. Und auch Schumer stellte klar: "Ich werde weiterhin einen Anzug tragen."

Hintergrund der Aufhebung des Dresscodes ist der Einzug von John Fetterman in den Senat – auch wenn Schumer dessen Namen nicht explizit erwähnte. Fetterman vertritt seit Januar den Bundesstaat Pennsylvania in Washington und trägt dabei meist sein übliches Outfit aus kurzer Hose, Turnschuhen und Kapuzenpulli oder kurzärmligem Schlabberhemd, in dem er im vergangenen Jahr auch seinen Wahlkampf bestritten hatte. Um wegen seiner legeren Kleidung nicht in Schwierigkeiten zu geraten, stimmte der 54-Jährige bei seiner Arbeit bislang oft von Türschwellen aus ab oder steckte nur seinen Kopf in den Plenarsaal. Zu Ausschusssitzungen trägt er Anzüge, wenn es erforderlich ist.

"Ich werde morgen im Senat einen Bikini tragen"

Viele republikanische Senatorinnen und Senatoren reagierten empört auf Schumers Regeländerung. Es sei ein "trauriger Tag im Senat" und die Menschen, die von Fetterman und Schumer vertreten werden, sollten beschämt sein, erklärte der Republikaner Roger Marshall aus Kansas. "Ich vertrete das Volk von Kansas, und so wie ich mich für eine Hochzeit in Schale werfe, um die Braut und den Bräutigam zu ehren, so wirft man sich bei einer Beerdigung in Schale, um die Familie des Verstorbenen zu ehren." Senatoren sollten ein gewisses Maß an Anstand haben.

Tommy Tuberville, Republikaner aus Alabama und ehemaliger Footballcoach der Auburn University, spottete, er werde bei seinem nächsten Auftritt im Senat im "Traineroutfit" erscheinen. Und Tubervilles Parteikollegin aus Maine, Susan Collins, scherzte: "Ich werde morgen im Senat einen Bikini tragen." Es gebe eine gewisse Würde, die im Senat aufrechterhalten werden müsste, mahnte die Senatorin. "Und die Abschaffung der Kleiderordnung entwürdigt meiner Meinung nach die Institution."

Streit in Washington: Shorts und Sneaker erlaubt: US-Senat schafft Dresscode ab – und sorgt damit für mächtig Ärger

Ihrem Ärger über das Ende der Kleiderordnung machten die Republikaner auch in einem Brief an Schumer Luft: "Die Welt beobachtet uns in diesem Saal, und wir müssen die Unantastbarkeit dieses Ortes um jeden Preis schützen", heißt es in dem Schreiben, das von 46 der 49 republikanischen Senatorinnen und Senatoren unterzeichnet wurde. "Die Zulassung von Freizeitkleidung im Senat ist eine Missachtung der Institution, der wir dienen, und der amerikanischen Familien, die wir vertreten." Schumer müsse "diese fehlgeleitete Maßnahme" deshalb unverzüglich rückgängig machen.

Fetterman will neue Freiheit sparsam einsetzen

Ein Experte für Umgangsformen zeigte sich weniger entsetzt, da sich legere Kleidung an vielen Arbeitsplätzen in den USA mittlerweile durchgesetzt habe, insbesondere seit der Corona-Pandemie und der Zunahme des Homeoffice. Die Nation müsse abwarten, wie sich die neue Kleiderordnung des Senats auswirke, sagte Richard Thompson Ford, Rechtsprofessor an der Stanford University in Kalifornien und Autor des Buches "Dress Codes: How the Laws of Fashion Made History", der Zeitung "USA Today". "Es wird einfach anerkannt, dass sich die Normen der beruflichen Kleidung geändert haben." Eine Art von Kleiderordnung werde es an öffentlichen Orten wohl immer geben, erklärte Ford. "Aber zweifellos geht der Trend weg von formalen Regeln."

Fetterman bestreitet, eine treibende Kraft hinter der Regeländerung gewesen zu sein. "Nein, das war ich wirklich nicht", versicherte der Senator auf dem Weg zu einer Abstimmung Reportern im Kongressgebäude. Die Kritik daran könne er dennoch nicht nachvollziehen: "Sie flippen aus, ich verstehe das nicht", sagte Fetterman in Shorts und kurzärmliges Hemd gekleidet. "Gibt es nicht wichtigere Dinge, an denen wir jetzt arbeiten sollten, anstatt dass ich mich wie eine Schlampe anziehe?" Er wolle seine neue Freiheit aber nicht überstrapazieren, betonte der Senator. "Es ist schön, diese Möglichkeit zu haben, aber ich werde sie sparsam einsetzen und nicht übermäßig nutzen."

Als Fetterman den Senatssaal erreichte, stimmte er Medienberichten zufolge trotz der Dresscode-Abschaffung noch von der Tür aus ab. "Kleine Schritte", sagte er zu den Reportern, während er den Aufzug bestieg, um in sein Büro zurückzukehren.

Quellen: United States Senate, "USA Today", Associated Press, "The Hill", "Axios"

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel