US-Truppenpräsenz Der Irak wird "re-amerikanisiert"

Alle Pläne des Pentagons, die US-Truppen stufenweise aus dem Irak abzuziehen, sind gescheitert. Jetzt entsendet Washington neue Soldaten - womit so viele vor Ort stationiert sein werden wie bei der Invasion.

"Plan A" ist gescheitert und "Plan B" nicht aufgegangen. Jetzt will das US-Verteidigungsministerium rund 12.000 Soldaten zusätzlich im Irak stationieren. Mit 150.000 Mann unter Waffen haben die Vereinigten Staaten dann so viele Truppen ins Zweistromland abkommandiert wie seit der Invasion im März vergangenen Jahres nicht mehr. US-Militärexperten sprechen schon von einem weiteren Rückschlag für das Pentagon. Und auch an der "zivilen Front" reißt der Ärger nicht ab: Eine Woche vor Ende bei der Aufstellung von Kandidatenlisten am 10. Dezember ist der Wahlboykott der sunnitischen Bevölkerungsminderheit nicht vom Tisch.

Scheitern aller Pläne

"Plan A" des Pentagons, nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein die US-Truppen bis Ende 2003 auf bis zu 50000 Mann zu reduzieren, sei gescheitert, sagt der General im Ruhestand, Raoul Alcala, der "Washington Post". Der überarbeitete Plan habe dann eine stufenweise Rückkehr der Truppen in diesem Jahr sowie die Verteilung von mehr Lasten auf die irakischen Sicherheitskräfte vorgesehen. Stattdessen werde jetzt eine "Re-Amerikanisierung" im Irak signalisiert, sagt General außer Diensten Ralph Hallenbeck.

Das Washingtoner Verteidigungsministerium will 1500 Soldaten zusätzlich in den Irak schicken und die Dienstzeit von weiteren 10 400, die planmäßig zurückkommen sollten, vorerst bis März verlängern. Nach den Worten von General David Rodriguez vom US-Generalstab soll damit die Sicherheit im Irak vor den geplanten Wahlen am 30. Januar verbessert werden.

Nach den Plänen werden US-Militärangehörige künftig auch in irakischen Polizeistationen Stellung beziehen, damit es nicht wieder zu peinlichen Zwischenfällen wie in der nordirakischen Stadt Mossul kommt, wo drei Viertel der Polizisten bei Angriffen von Aufständischen das Weite gesucht hatten. Das Plus an Soldaten soll diese Rebellen - im Sprachgebrauch des US-Militärs als Mix von Kriminellen, Terroristen und Angehörigen des gestürzten Regimes bezeichnet - auf der Flucht halten und ihnen die Möglichkeit verbauen, nach dem Fall von Falludscha eine neue Basis zu errichten.

Bushs euphorische Zukunftsvision

Je näher die Wahlen im Irak rücken, desto euphorischer scheint die Zukunftsvision von US-Präsident George W. Bush zu werden. Ein freier Irak sei "eine ständige Zurückweisung von Radikalismus" und ein Modell für Reformer von Teheran bis Damaskus, sagte er während seines Kanada-Besuches. Die Übergangsregierung in Bagdad zeichnet ein von US-Regierungsvertretern gern übernommenes Bild von weitgehender Ruhe in 15 von 18 irakischen Provinzen.

In seinem Tagebuch "Sieben Tage der Hölle" empfindet der Korrespondent des US-Nachrichtenmagazins "Newsweek", Rob Nordland, die Lage vorerst noch als "wahrhaft trostloses Bild anhaltender Gewalt". Falludscha sei wie eine "Chemotherapie" gewesen, nur hätten sich die Aufständischen jetzt wie Krebszellen im ganzen Lymphdrüsensystem des Irak ausgebreitet.

Auch bei der Wahlvorbereitung geht es nicht voran wie von den USA erhofft. Noch glaubt US-Botschafter John Negroponte, dass die sunnitische Bevölkerungsminderheit nur "blufft" und ihren Boykott aufgibt, je näher der Wahltermin rückt. Aus seiner Sicht setzen die Sunnis als ehemalige Machtstütze Saddams ihren Einfluss auf künftige Regierungsentscheidungen und die Ausarbeitung einer neuen Verfassung aufs Spiel.

Ob die zusätzlichen US-Truppen wirklich für mehr Sicherheit im Umfeld der Wahlen sorgen können, bleibt abzuwarten. "Niemand glaubt ernsthaft, dass die irakischen Sicherheitskräfte, die nicht einmal eine Erdölleitung bewachen können, Tausende von Wahlstationen schützen können", schreibt "Newsweek"-Korrespondent Nordland.

Allawi in Berlin

Unterdessen ist der irakische Ministerpräsident Ajad Allawi zu einem zweitägigen Besuch in Berlin eingetroffen. Allawi wird am (morgigen) Freitag von Bundeskanzler Gerhard Schröder mit militärischen Ehren empfangen. Außerdem führt er mit Außenminister Joschka Fischer Gespräche. Im Mittelpunkt der Gespräche steht die Stabilisierung Iraks, der Wiederaufbau des Landes und der Fahrplan für die weitere Demokratisierung. Die Bundesregierung sieht dem Besuch nach eigenen Angaben "mit hohem Interesse" entgegen. Allawi selbst hatte sich für ein umfassendes Engagement der Bundesrepublik in seinem Land ausgesprochen. In einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Donnerstagausgabe) schrieb er, niemand erwarte allerdings von Berlin die Entsendung von Soldaten. Die Ausbildungshilfe für irakische Sicherheitskräfte sei aber sehr wichtig.

Deutschland hat bereits mehr als 400 irakische Polizisten in den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgebildet und Mitte November ein Ausbildungskommando der Bundeswehr zur Schulung irakischer Militärs nach Abu Dhabi geschickt. Insgesamt 32 deutsche Soldaten bilden in den Emiraten 140 Iraker zu Kraftfahrern und Mechanikern aus. In der vergangenen Woche hatten sich die im Pariser Club zusammengeschlossenen Gläubigerländer zudem auf einen Erlass von 80 Prozent der irakischen Schulden verständigt. Deutschland zählt zu den Hauptgläubigern Iraks.

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Hans Dahne/DPA