"Schwierige Entscheidung" USA liefern der Ukraine umstrittene Streumunition

Die US-Regierung will der Ukraine Streumunition zur Verteidigung gegen Russland liefern
Die US-Regierung will der Ukraine Streumunition zur Verteidigung gegen Russland liefern (Symbolbild).
© Mohammad Zaatari / AP / DPA
Die USA liefern der Ukraine im Krieg gegen Russland umstrittene Streumunition. Das teilt das US-Verteidigungsministerium in Washington mit. Biden-Berater sprechen von einer "schwierigen", aber notwendigen Entscheidung.

Die US-Regierung will der Ukraine umstrittene Streumunition liefern und verteidigt sich gegen Kritik an diesem Schritt. US-Präsident Joe Biden sprach von einer Übergangslösung und sagte, dass ihm die Entscheidung sehr schwergefallen sei. Sein Sicherheitsberater Jake Sullivan betonte: "Es ist eine Entscheidung, die wir aufgeschoben haben." Die Ankündigung kommt kurz vor dem Nato-Gipfel in der kommenden Woche. Die Ukraine werde als Ergebnis des Gipfels nicht der Nato beitreten, stellte Sullivan weiter mit Blick auf Beitrittshoffnungen des von Russland angegriffenen Landes klar.

Die Entscheidung der USA gilt als äußerst umstritten. Denn Streubomben gelten als besonders heimtückisch, stellen eine große Gefahr für Zivilisten dar und wurden deswegen von mehr als hundert Ländern weltweit geächtet. Streubomben können aus Flugzeugen abgeworfen oder vom Boden aus mit Raketenwerfern abgefeuert werden. Ihre Behälter öffnen sich in der Luft und setzen dutzende oder sogar hunderte Sprengkörper, sogenannte Bomblets oder Submunition, über große Flächen frei.

Das Problem: Nicht nur sind Sprengbomben sehr unpräzise. Viele Sprengkörper detonieren beim Aufprall nicht. Diese Blindgänger stellen damit auch Jahre oder Jahrzehnte nach Ende eines Konflikts eine Gefahr für Zivilisten dar. So können spielende Kinder oder Bauern bei der Feldarbeit durch solche Blindgänger getötet oder schwer verletzt werden, ähnlich wie bei Landminen. Schätzungen zufolge sind rund 97 Prozent der Opfer von Streubomben Zivilisten.

Streubomben erstmals im Zweiten Weltkrieg verwendet

Streubomben kamen erstmals im Zweiten Weltkrieg zur Anwendung und wurden in den folgenden Jahrzehnten in dutzenden Ländern eingesetzt. Darunter sind Afghanistan, der Irak, der Libanon, das frühere Jugoslawien, Syrien, Kambodscha und Vietnam. Im Verlauf der Jahrzehnte wurden Schätzunge zufolge zehntausende Menschen durch Streumunition getötet. Ein 2008 beschlossenes und 2010 in Kraft getretenes internationales Abkommen – das sogenannte Oslo-Übereinkommen – verbietet Herstellung, Lagerung, Einsatz und Weitergabe von Streumunition. Bis heute haben weltweit 111 Länder den völkerrechtlichen Vertrag ratifiziert. Zwölf weitere Staaten haben das Abkommen zwar unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert.

Deutschland, das früher sehr große Lagerbestände an Streumunition hatte, ratifizierte das Oslo-Übereinkommen 2009. Die Vernichtung der deutschen Bestände an Streumunition wurde 2015 abgeschlossen. Allerdings gehören große Staaten wie die USA und China nicht zu den Unterzeichnern des Abkommens, ebensowenig wie Russland und die Ukraine. Im Ukraine-Krieg haben beiden Kriegsparteien Streumunition eingesetzt. Festgehalten ist das unter anderem in Berichten der Vereinten Nationen und der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.

Lieferung sorgt für Kritik

Die geplante Lieferung von US-Streumunition an die Ukraine sorgte schon vor der offiziellen Ankündigung für Kritik. "Es wäre eskalierend, kontraproduktiv und würde nur die Gefahren für Zivilisten vergrößern, die in Kampfgebieten gefangen sind oder die eines Tages in ihre Städte und auf ihre Bauernhöfe zurückkehren werden", erklärte der Exekutivdirektor der US-Nichtregierungsorganisation Arms Control Association (Vereinigung für Rüstungskontrolle), Daryl Kimball. Die USA beteuern, dass die für die Ukraine bestimmte Streumunition nur sehr wenige Blindgänger enthält. Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, sprach am Freitag von einem Anteil von "höchstens 2,5 Prozent". Bei russischer Streumunition dagegen würden "zwischen 30 und 40 Prozent" der Sprengkörper nicht sofort detonieren.

AFP
mth