Verschwörungstheorien War Saddam im Weißen Haus?

In der arabischen Welt blühen Verschwörungstheorien über die Festnahme Saddams Husseins im Dezember. Viele Araber fühlen sich durch das schmachvolle Schicksal des Diktators gedemütigt und fragen sich, warum er sich nicht gewehrt hat.

Als der irakische Ex-Präsident Saddam Hussein von den Amerikanern vor einem Monat mit struppigem Haar aus einem Erdloch bei Tikrit gezogen und dem internationalen Publikum präsentiert wurde, ging ein Raunen durch die arabische Welt. Wie viele Iraker freuten sich einige Menschen in anderen arabischen Staaten, dass endlich einmal einer ihrer Diktatoren für seine Taten büßen muss. Doch die meisten Araber fühlten sich durch das schmachvolle Schicksal des selbst ernannten neuen Saladin gedemütigt. Sultan Saladin hatte den Kreuzfahrern 1187 Jerusalem entrissen.

Seit der Festnahme Saddams blühen in der arabischen Welt die Gerüchte und Verschwörungstheorien. So berichtete die saudiarabische Zeitung "Okaz" vor einigen Tagen unter Berufung auf nicht näher bezeichnete "Geheimdienstinformationen", die Amerikaner hätten Saddam bereits im vergangenen September an einem anderen Ort im Irak gefasst und unter strikter Geheimhaltung nach Washington gebracht. Dort soll er drei Tage lang im Weißen Haus befragt und dann erst nach Bagdad zurückgebracht worden sein. US-Präsident George W. Bush habe den Befragungen zum Teil beigewohnt, glaubte das Blatt erfahren zu haben. Die später den Medien präsentierte Festnahme in der Heimatprovinz des Ex-Potentaten sei auf Vorschlag von Außenminister Colin Powell inszeniert worden, um keine Proteste von Irakern und Menschenrechtsorganisationen zu provozieren.

Weshalb hat Saddam sich nicht umgebracht?

Viele Iraker und auch andere Araber stellen sich noch immer die Frage: Weshalb hat sich Saddam nicht umgebracht, um seine Festnahme zu verhindern? Ein amerikanischer Fotograf, der in den vergangenen Wochen mit den US-Truppen im Irak unterwegs war, wusste immerhin zu berichten, Saddam habe sich, als er von den Soldaten aus dem Erdloch gezogen worden sei, noch einmal aufgebäumt und einem der amerikanischen Soldaten einen kräftigen Hieb versetzt.

Unter früheren Bewunderern Saddam Husseins hält sich hartnäckig das Gerücht, die Amerikaner hätten ein Betäubungsgas in Saddams Erdloch gesprüht. Damit hätten sie den tapferen Saddam daran gehindert, auf ihre Soldaten zu schießen oder sich selbst zu töten. Bei der anschließenden Aufzeichnung des in aller Welt ausgestrahlten Videos, auf dem sich der Ex-Präsident willig von einem Amerikaner untersuchen lässt, soll Saddam laut dieser Theorie unter Drogen gesetzt worden sein. Das glaubt übrigens auch seine ins jordanische Exil geflüchtete Tochter Raghad. US-Zivilverwalter Paul Bremer hat diese Version dementiert.

Die Kurden haben Saddam verraten

Ein bekannter arabischer Politiker, der seinen Namen nicht nennen möchte, ist der Meinung, die Kurden hätten den Aufenthaltsort Saddams den Amerikanern preisgegeben, nachdem sie die Auszahlung der ausgelobten Belohnung in Höhe von 25 Millionen Dollar sichergestellt hätten. Andere Spekulationen gehen davon aus, dass der von den Kurden geforderte Preis dafür, dass sie Saddam den Amerikanern überlassen, nicht Geld war, sondern die Zusicherung Washingtons, die Autonomie- Pläne der Kurden zu unterstützen.

Nachdem in den ersten Berichten über Saddams mögliche Festnahme am 13. Dezember noch von einer Beteiligung der "Peschmerga" an der Operation die Rede gewesen war, trat die Rolle der Kurden in späteren, von der US-Militärführung verbreiteten Informationen in den Hintergrund. Die arabische Zeitung "Al-Hayat" berichtete später unter Berufung auf irakische "Sicherheitskreise" mit engen Kontakten zu US- Militärs, ein entfernter Verwandter habe Saddam an die Amerikaner verraten und die Belohnung kassiert.

Eine gewisse Schadenfreude

Kein Mitleid mit dem Gefangenen von Tikrit zeigte kürzlich der Anführer des Terrornetzwerks El Kaida, Osama bin Laden, der nach der Festnahme des irakischen Ex-Präsidenten nun wieder alleine die US- Liste der Meistgesuchten anführt. Obwohl er seinen Erzfeinden, den Amerikanern, einen Erfolg wie die Festnahme Saddams eigentlich nicht gönnen dürfte, war aus Bin Ladens jüngster Botschaft indirekt eine gewisse Schadenfreude herauszuhören. Versprach der Terroristenchef doch anderen nahöstlichen Staatschefs ein ähnlich ruhmloses Ende.

DPA
Anne-Beatrice Clasmann