Vor Trump-Impeachment "Wir hockten uns hin und beteten": Abgeordnete schildern in Sondersitzung ihre Angst beim Sturm aufs Kapitol

Im US-Senat beginnt nächste Woche das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump wegen des Sturms seiner Anhänger auf das Kapitol. Mehrere Abgeordnete haben zuvor noch einmal eindringlich geschildert, wie dramatisch die Lage damals für sie war.

Rund ein Dutzend US-Abgeordnete haben im Repräsentantenhaus teilweise unter Tränen ihre persönlichen Erlebnisse bei der Erstürmung des Kapitols durch Anhänger von Ex-Präsident Donald Trump geschildert. Die prominente Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez hatte die Sondersitzung am Donnerstagabend (Ortszeit) organisiert, weil einige Kongressmitglieder und Mitbürger*innen bereits forderten, die Vorfälle vom 6. Januar, bei denen fünf Menschen starben, hinter sich zu lassen oder sogar versuchten, "die Berichte von Überlebenden kleinzureden, zu diskreditieren oder schlecht zu machen".

"Sie senden eine ungeheuer schädliche Botschaft an Überlebende von Traumata im ganzen Land: dass das, was ihnen widerfahren ist, nicht schlimm genug war", sagte Ocasio-Cortez. "Traurigerweise ist das allzu oft das, was wir von Trauma-Überlebenden hören."

Abgeordnete von Kapitol-Erstürmung traumatisiert

AOC, wie die Politikerin genannt wird, wurde in dieser Woche selbst von Kritikern attackiert, nachdem sie auf Instagram berichtet hatte, wie sie sich vor den Eindringlingen in der Toilette ihres Büros versteckt und um ihr Leben gefürchtet hatte. "Vor neunundzwanzig Tagen wurde das Kapitol unserer Nation angegriffen", erklärte die 31-Jährige. "Das ist die große Geschichte. Und in dieser großen Geschichte liegen Tausende von individuellen Erzählungen, eine genauso gültig und wichtig wie die anderen."

In der einstündigen Sitzung nur wenige Tag vor dem Start des Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump meldeten sich ausschließlich Demokrat*innen zu Wort. Die Abgeordnete Sheila Jackson Lee aus Texas erinnerte sich in ihrer Rede daran, wie sie zwei Jahrzehnte zuvor, am 11. September 2001, aus demselben Kapitol fliehen musste und dabei den Rauch sah, der aus dem von einem Flugzeug getroffenen Pentagon aufstieg.

"Wir hörten die Worte 'Beeilt euch, verschwindet'", sagte Jackson Lee über den Angriff auf das Kapitol am 6. Januar. Als sie und andere Kollegen Schüsse gehört hätten, "hockten wir uns hin und einige meiner Kollegen und ich begannen zu beten."

AOC gegen Twitter-Hass
AOC gegen Twitter-Hass
Alexandria Ocasio-Cortez bekommt tierische Unterstützung im Kampf gegen Twitter-Hass

"Weiße Vorherrschaft, Aufrührer und inländischer Terrorismus werden sich nicht durchsetzen", sagte Jackson Lee über die Eindringlinge, von denen einige Konföderiertenflaggen dabei hatten, Galgenschlingen aufhängten und rassistische Symbole trugen.

US-Präsident Donald Trump steht im Freien und legt seinen Kopf schräg
© Mandel Ngan / AFP
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Ihr Kollege Dean Phillips aus Minnesota beschrieb, wie er und andere Parlamentarier "hinter unseren Sitzen in Deckung gehen mussten" und "damit kämpften, unsere Gasmasken zu aktivieren."

"Wir kennen das Geräusch von zerbrechendem Glas, von den Schreien, von den Möbeln, die vor den Türen bewegt werden", sagte Phillips. "Wir wissen, wie es sich anfühlt, nach etwas zu suchen, irgendetwas um uns zu verteidigen, und zu erkennen, dass ein Bleistift alles ist, was wir hatten [...] Und zu denken, dass es eine reale Möglichkeit ist, dass wir unsere Familien und geliebten Menschen nicht mehr wiedersehen."

Sichtlich berührt erzählte Phillips, der weiß ist, wie er seine demokratischen Kolleg*innen aufforderte, sich unter die Republikaner*innen zu mischen. Er und andere hätten angenommen, der rechte Mob würde sie verschonen, wenn er sie mit Angehörigen der GOP verwechseln würde. "Ich erkannte, dass es für meine farbigen Kollegen und Kolleginnen keine Option war, sich unterzumischen", erklärte Phillips. "Das tut mir leid. Denn ich hatte nie verstanden, wirklich verstanden, was Privileg tatsächlich bedeutet."

Muslimische Angeordnete berichtet von Morddrohungen

Die Repräsentantin Rashida Tlaib aus Michigan, eine der ersten muslimischen Frauen, die in den Kongress gewählt wurde, brach in Tränen aus, als sie von Morddrohungen erzählte, die sie seit ihrem ersten Tag im Amt erhalte. "Ich war noch nicht einmal vereidigt und schon wollte mich jemand umbringen", erklärte die Demokratin. Im Laufe der Jahre seien weitere Drohungen hinzugekommen, darunter eine, in der ihr Sohn namentlich erwähnt worden sei. "Das Trauma, einfach nur hier zu sein, als Muslimin zu existieren, ist so hart."

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Tlaib war zwar während des Angriffs nicht im Kapitol, die 44-Jährige berichtete aber, wie sie sich "jeden Tag" um das Leben ihrer Mitarbeiter sorge, von denen einige homosexuell oder schwarz seien und eine einen Hijab trage. "Ich bitte meine Kollegen und Kolleginnen, das was am Jan. 6 passiert ist, ernst zu nehmen", appellierte sie an die anderen Parlamentarier.

Der Abgeordnete Adriano Espaillat aus dem Bundesstaat New York hatte sich während des Aufstands mit seinem Team in seinem Büro eingeschlossen. Espaillat sprach von der "traumatischen Erfahrung", als er schließlich das Gebäude verlassen und Blutflecken gesehen habe, dort, wo jemand erschossen worden war.

Seine Kollegin Mary Gay Scanlon aus Pennsylvania verlas einen offenen Brief von fast 400 Mitarbeitern des Kongresses an die Abgeordneten, Senatorinnen und Senatoren, "weil sie nicht oft eine Stimme in diesem Saal haben".

"Unser Arbeitsplatz wurde von einem gewalttätigen Mob angegriffen, der versucht hat, die Auszählung der Wahlstimmen zu verhindern. Dieser Mob wurde vom ehemaligen Präsidenten Donald Trump und seinen Verbündeten aufgehetzt, von denen wir einigen jeden Tag bei der Arbeit in den Fluren begegnen", hielten die Kongressmitarbeiter in dem Schreiben fest. "Als der Mob Barrikaden durchbrach, Türen und Fenster einschlug und in das Kapitol eindrang [...] versteckten sich viele von uns hinter Stühlen, unter Schreibtischen oder verbarrikadierten sich in Büros."

Für das in der kommenden Woche anstehende Impeachment-Verfahren gegen Trump wegen "Anstiftung zum Aufruhr" haben die Unterzeichner denn auch einen klaren Auftrag an die Volksvertreter: "Als Mitarbeiter des Kongresses haben wir keine Stimme bei der Entscheidung, ob Donald J. Trump für seine Rolle als Anstifter der gewalttätigen Angriff auf das Kapitol verurteilt werden soll, aber unsere Senatoren schon", schreiben sie in dem Brief. "Und um unseretwillen und um des Landes willen bitten wir Sie, dafür zu stimmen, den ehemaligen Präsidenten zu verurteilen und ihn davon abzuhalten, jemals wieder ein Amt zu bekleiden."

Quellen: NBC, Reuters"Huffington Post"CNN

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