Washington Memo Bill Clinton spielt den Bulldozer

  • von Katja Gloger
Hillary Clinton ist wieder obenauf im Vorwahlkampf der US-Demokraten. Dank ihrer gefährlichsten Waffe - ihrem Ehemann. Während Hillary weiter mitfühlend menschelt, greift Bill in die Kiste der schmutzigen Tricks und knüpft sich den Hauptkonkurrenten Obama vor. Bill ist schließlich einer der besten Wahlkämpfer aller Zeiten.

Da hätte man mal auf ihn hören sollen, damals schon, in Iowa. Er wusste doch, dass es nicht gut lief für Gattin Hillary. Früh hatte er es gespürt, und einer wie er kann seinen Instinkten vertrauen. Schließlich ist er einer der besten Wahlkämpfer aller Zeiten. Da hatte dieser gut aussehende Jungspund Barack Obama doch glatt Erfolg mit seiner Botschaft der Hoffnung. Und machte seiner Frau einfach die schon sicher geglaubte Präsidentschaftskandidatur streitig. Bill Clinton, heißt es, war stinkesauer. Wütend soll er von Hillarys Beratern gefordert haben, nun endlich auf Angriff zu schalten, den Frischling aus Chicago hart ranzunehmen.

Bill von Gestern

Doch zähneknirschend musste er sich zunächst den Strategen seiner Frau beugen: Hillarys Sieg in den Vorwahlen sei unvermeidlich, ihre Erfahrung spreche für sich selbst - und wer weiß, vielleicht könnte Bill Clinton selbst ja auch eher eine Belastung für den Wahlkampf seiner Frau sein. Die Sex-Skandale, das Amtsenthebungsverfahren, die Erinnerung an die 90er Jahre... Das könnte nach "Gestern" klingen, befürchtete man. So yesterday.

Doch dann verlor Hillary Clinton die Vorwahl in Iowa. Dann kamen die Zahlen aus New Hampshire, und sie waren noch am Abend der Wahl dort so schlecht, dass die Kandidatin nur zwei Reden vorbereitet hatte: eine für den Fall einer katastrophalen Niederlage - und eine für den Fall einer nicht ganz so katastrophalen Niederlage.

Zum Sieg heulen geht nicht

Doch dann gewann sie New Hampshire, holte danach auch den Sieg in Nevada. Und spätestens seitdem ist klar: die Strategie des Doppelschlags funktioniert. Denn es war ja nicht nur eine (nur beinahe vergossene) Träne in einem Coffeeshop, die zu ihrem Comeback beitrug. Schließlich könne sie sich ja nicht zum Sieg heulen, wie einige Kommentatoren zynisch anmerkten. Es waren auch die gezielten Attacken von Bill Clinton, die zu den Siegen seiner Frau beitrugen - und die Barack Obama kalt erwischten. Und schließlich war das Ehepaar Clinton schon immer besonders gut, wenn es galt, gemeinsam gegen einen Feind zu kämpfen.

Ob gegen Republikaner oder selbst ernannte Moralapostel, ob gegen die Medien oder gegen Barack Obama. "Immer wenn Bill angreift, gewinnt Hillary", orakelt ein Polit-Blogger der Washington Post. "Die Tränen verschafften ihr Sympathien bei ihren Geschlechtsgenossinnen", so der Kolumnist Robert Novak in einer Mischung aus Bewunderung und Abscheu, "und Bill Clintons Spott verursachte Geringschätzung gegenüber Obama." Zerknirscht musste Obamas Chefstratege David Axelrod nach dessen Niederlage im Casino-Staat Nevada zugeben: "Wir haben nicht schnell genug zurückgeschlagen."

Katja Gloger

Die US-Hauptstadt ist ein politisches Haifischbecken, in dem getuschelt, geschmiedet, verschworen und gestürzt wird. Mittdendrin: Katja Gloger. Die stern-Korrespondentin beobachtet in ihrer Kolumne "Washington Memo" den Präsidenten und beschreibt die, die es werden wollen. Dazu der neueste Klatsch aus dem Weißen Haus und von den Fluren des Kongresses.

Schmutzige Tricks auf höchstem Niveau

Im Endkampf um die Präsidentschaftskandidatur seiner Frau hat Bill Clinton jetzt eine führende Rolle übernommen. Sie gibt sich mitfühlend-menschlich - ganz wie vor 16 Jahren der Gatte, der damals mit dem Slogan "I feel your pain" seine ersten Vorwahlen gewann. Und er hat den Mantel des elder statesman erst mal in den Schrank gehängt. Er ist der Bulldozer, der Beißer. "Let Bill loose", heißt es jetzt. Lasst ihn angreifen.

Und kaum jemand kann die Glaubwürdigkeit des Gegners so geschickt untergraben wie er, Bill, der sein Ohr immer noch nah am Volk hat. Einer wie er, der auf Abendveranstaltungen über Stunden die Vorzüge seiner Frau preist, und es dann noch schafft, mit dem Hausmeister 20 Minuten lang über die Vorzüge von Energiesparlampen zu diskutieren. Es sind Halbsätze über den einzigen, ernsthaften Konkurrenten seiner Frau, scheinbar voller Erregung vorgetragen, und manchmal sind es auch nur ein paar Worte, sie sind nicht ganz falsch, sie sind nicht ganz richtig. Es sind Tricks aus der Schatzkiste des schmutzigen Wahlkampfes - aber auf höchstem Niveau.

Da saß er neulich im Fernsehstudio, gestikulierte mit seinen feingliedrigen Fingern und sagte, nun ja, wer Obama wähle, der "lässt die Würfel entscheiden". Obama - ein Glücksspiel in schweren wirtschaftlichen Zeiten?

Da stand er vor Studenten im altehrwürdigen Dartmouth College, es war am Abend vor der entscheidenden Wahl in New Hampshire, er sprach vom Irak-Krieg und Barack Obamas Opposition gegen diesen Krieg. Er wurde ganz rot im Gesicht und schien wunderbar wütend, als er rief: "Das ist das größte Märchen, das ich je gehört habe." Barack Obama - eine Mogelpackung?

Da marschierte er vergangene Woche durch die Casinos von Las Vegas, dort in Nevada, wo die mächtige Gaststätten-Gewerkschaft ihren Mitgliedern gerade Barack Obama zur Wahl empfohlen hatte. Da murmelte er empört von Gesprächen mit Wählern, auf die angeblich Druck ausgeübt worden sei. Obama - ein Saubermann, der sich Stimmen erschwindelt?

Und sie versuchten es auch mit der Rassen-Karte, den Vorurteilen gegen Schwarze - so wie ein hochrangiger Mitarbeiter aus Hillary Wahlkampfstab, der über Obamas Drogenvergangenheit spekulierte. Schon fühlten sich die Experten an den "Sister Souljah Moment" erinnert: im Vorwahlkampf 1992 soll Bill Clinton die radikalen Äußerungen eines jungen Rappers genutzt haben, um Ängste gegen seinen damaligen Konkurrenten, den Schwarzen Jesse Jackson, zu schüren.

Da mag sich Obama noch so sehr verteidigen, kann noch so sehr in komplizierte Details gehen und auf die Wahrheit drängen - irgendetwas kleben bleibt doch. Es ist ein durchsichtiges Kalkül - doch es funktioniert. Es hat schon immer funktioniert.

Ein bisschen Bill wählen

Und seine perfekt kontrollierten Wutausbrüche funktionieren so gut, dass sich führende Demokraten schon Sorgen machen, ob Bill nicht ein bisschen zu weit ginge. Das demokratische Ur-Gestein und US-Senator Edward Kennedy bat seinen Freund am Telefon, seinen Ton zu mildern, er könne sich und seiner Frau schaden, die Wähler abschrecken. Doch die Meinungsumfragen zeigen bislang das Gegenteil: die demokratische Basis will mehr von Bill. Der klassische demokratische Wähler stimmt für Hillary - weil er damit auch ein bisschen Bill wählen kann. "Er schmiedet wirklich eine Koalition der Demokraten für seine Frau", heißt es in der New York Times.

Wer Bill Clinton in diesen Tagen erlebt, wie er für seine Frau um Stimmen wirbt, der erlebt auch einen Mann, der um das Erbe seiner eigenen Präsidentschaft kämpft, um eine gerechte Bewertung seiner Amtszeit, und vielleicht auch um eine persönliche Genugtuung. Die Wunden von damals sind immer noch nicht ganz verheilt. Immer noch sieht sich Bill Clinton auch als Opfer einer großen Verschwörung. Da preist er Hillarys Erfahrung und Nervenstärke im aggressiven Ringen um den Sieg: "Narbengewebe kann ja nicht mehr bluten", sagt er. Und meint damit auch sich selbst.

Die ewige Schmach des Lewinsky-Skandals

Denn in dieser Woche ist es genau zehn Jahre her, als der Richter und Ermittler Kenneth Starr Klage gegen Präsident Clinton erhob. Klage wegen Falschaussage im Fall Monica Lewinsky, der jungen Praktikantin aus der "Pizza-Schicht" im Weißen Haus, mit der Bill Clinton eine seiner zahllosen Affären hatte. Diese Anklage setzte die öffentliche Demütigung der Clintons über Monate fort, sie führte zu einem peinlichen Amtsenthebungsverfahren, dem Entzug seiner Anwaltslizenz und mehreren Millionen Dollar Schulden für Anwaltskosten. "Als ich das Weiße Haus verließ, war ich ärmer als vor meinem Amtsantritt", empört sich Clinton noch heute. Über dem Sex-Skandal drohten die Erfolge seiner Präsidentschaft vergessen zu werden: Die goldenen Neunziger, der Wirtschaftsboom, die Lust auf Zukunft und auch die zumeist erfolgreiche Außenpolitik. Es war eine Bilanz, die sich sehen lassen konnte - doch niemand wollte sie lesen.

Er wurde herzkrank, er überlebte eine schwere Operation, dann machte er sich auf, die Welt zu retten. Mit seiner Clinton-Stiftung und seiner Global Initiative erarbeitete er Spenden in Milliardenhöhe. Heute reicht seine Popularität in die Stratosphäre. Und endlich verdient er Millionen. Sein Honorar pro Auftritt: 100.000 Dollar, manchmal auch das Doppelte. Plus Spesen.

Hillarys letzte Chance

Und immer war klar: seine Frau würde ihre hart erkämpfte, mit so vielen Demütigungen verbundene Chance auf die Präsidentschaft nutzen. Eine Chance auf weitere acht Jahre Clinton im Weißen Haus. Darüber ließ sich der TV-Moderator Chris Matthews zu einer zynischen Bemerkung hinreißen: "Der einzige Grund, warum sie für die Präsidentschaft kandidieren und warum sie jetzt die Spitzenkandidatin werden kann, ist, dass ihr Mann überall herumgefummelt hat." Für diesen Kommentar musste sich Matthews wegen Frauenfeindlichkeit öffentlich entschuldigen.

Jeder weiß: diese Kandidatur ist Hillary Clintons letzte Chance auf die Präsidentschaft. Wenn sie jetzt gegen Barack Obama verliert, ist ihre Karriere beendet. Und in diesem großen Kampf kommt Bill gerade recht. Kritik an den Äußerungen ihres Mannes lässt sie lässig abperlen: "Es geht ja nicht um meinen Ehepartner", pflegt sie da zu sagen, "sondern um mich." Wahlweise auch: "Ich war´s nicht. Ich rede mal mit meinem Mann." Dann sitzt ihr Bill vor dem Fernsehen und ruft: "Ja, mein Mädchen, gib´s ihnen!"

Obama muss Zähne zeigen

In den vergangenen Wochen musste Barack Obama leidvoll erfahren, was es heißt, gegen das erfahrenste Polit-Paar Amerikas anzutreten. Zunächst redete er sich die Lage schön: er wolle eben nicht zurück zu den Wahlkämpfen von früher. Außerdem passe ein Schlagabtausch nicht zu seinem Profil als einigender Hoffnungsträger. Doch am Montag schlug er in einer Fernsehdebatte zum ersten Mal zurück. "Manchmal weiß ich gar nicht, gegen wen ich hier eigentlich antrete", sagte er sarkastisch. Er warf den Clintons vor, die Wahrheit zu verzerren und griff Hillary persönlich an: "Als ich in Chicago den Arbeitslosen half, waren Sie Rechtsanwältin und saßen im Aufsichtsrat von Wal Mart."

Er hat keine Wahl, er muss Zähne zeigen: denn am Samstag steht die Vorwahl im wichtigen Südstaat South Carolina mit seiner starken schwarzen Bevölkerung an. Diesen Bundesstaat muss Barack Obama für sich gewinnen, um zu beweisen, dass er in den kommenden zwei Dutzend Vorwahlen "überlebensfähig" ist. Und in South Carolina gilt Bill Clinton bislang als erster "schwarzer Präsident". Auf die Frage, ob er dies auch so sehe, reagierte Barack Obama am Montag schlagfertig: Er müsse Clintons Tanztalente prüfen. An diesem Abend hatte er die Lacher auf seiner Seite.