Delegiertenkonferenz Open Convention: So könnten die Demokraten den Kandidaten Joe Biden noch austauschen

Joe Biden in Anzug
Ist Joe Biden noch der richtige Kandidat? Viele Demokraten haben inzwischen große Zweifel
© Elizabeth Frantz / Reuters
Die Kritik an Joe Biden lässt nicht nach – aber wie könnte die Demokraten sich überhaupt für einen neuen Kandidaten entscheiden? Möglich wäre das sogar noch auf ihrer Delegiertenkonferenz im August. Die Open Convention – einfach erklärt. 

Seit dem desaströsen TV-Duell zwischen Joe Biden und Donald Trump ist in den USA nichts mehr, wie es war. Schon zuvor hatten sich Zweifel an der Fitness des 81-jährigen Präsidenten gemehrt, das Duell bestätigte nun die schlimmsten Befürchtungen: Biden sah zeitweise aus wie eine Wachsfigur, seine kraftlose Stimme vermochte kaum, bis in die Wohnzimmer der Amerikaner durchzudringen. Immer wieder verhaspelte er sich, schloss für mehrere Sekunden die Augen, setzte neu an. Auch seine ganze politische Erfahrung half da nichts: Er wirkte wie ein tattriger Großvater, dem man bei der Familienfeier aufmunternd zulächelt, wenn er mal wieder den Faden verliert.

Für solche Nachsicht ist im Amt des mächtigsten Mannes der Welt freilich kein Platz. Müssen die Demokraten Joe Biden als Präsidentschaftskandidaten ersetzen – und geht das überhaupt noch?

Die einfache Antwort lautet: Ja. Offiziell entscheiden die Demokraten erst auf ihrem Nominierungsparteitag im August, wen sie als Präsidentschaftskandidaten ins Rennen schicken.

Seit mehr als 70 Jahren sind die Nominierungsparteitage in den USA reine Formsache. Der Präsidentschaftskandidat der jeweiligen Partei wird bei den Vorwahlen gekürt – und die hat Joe Biden klar gewonnen. Dass der amtierende Präsident für eine zweite Amtszeit kandidiert, gilt in den USA meist ohnehin als gesetzt. Beim Nominierungsparteitag wird der Gewinner der Vorwahlen von seiner Partei nur noch offiziell als Präsidentschaftskandidat bestätigt.

Doch prinzipiell können sich die Delegierten an diesem Tag auch auf einen anderen Kandidaten einigen. Dafür gibt es zwei Szenarien:

1. Eine Mehrheit der Delegierten verweigern Biden die Gefolgschaft

Die Delegierten, deren Stimmen Biden bei der Vorwahl gewonnen hat, sind rechtlich nicht daran gebunden, auf dem Nominierungsparteitag auch für ihn zu stimmen. Verweigern genug von ihnen Biden ihre Stimme, wird er nicht Präsidentschaftskandidat. 

Das einzige Mal, dass ein amtierender Präsident vor seiner zweiten Amtszeit von seiner Partei so als Kandidat abgelehnt wurde, war im Jahr 1856. Der wegen seiner befürwortenden Einstellung zur Sklaverei immer unbeliebter gewordene Präsident Franklin Pierce konnte sich damals auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten nicht mehr ausreichend Stimmen für eine erneute Kandidatur sichern. 

Ein solches Szenario gilt für Joe Biden aber als äußerst unwahrscheinlich. Parteiinterne Regeln binden die Entsandten an den Kandidaten, für den sie in der Vorwahl gewählt wurden. Biden hat in den Vorwahlen 95 Prozent aller Delegiertenstimmen auf sich vereint. Zudem genießt er, trotz der gelegentlichen Ausfälle, Respekt für seine lange politische Erfahrung. Knapp 2000 seiner zum Teil langjährigen Parteifreunde müssten ihn verraten und sich gegen die Regeln ihrer Partei stellen, um ihn auf diese Weise an der Kandidatur zu hindern. 

2. Biden tritt freiwillig als Kandidat zurück

Wenn Joe Biden freiwillig auf eine Nominierung verzichtet, könnte sich jeder andere Demokrat beim Parteitag zur Wahl stellen. Eine solche Abstimmung bezeichnet man in den USA als "Open Convention":  Die Bewerber würden sich in einer offenen Debatte darum bemühen, möglichst viele demokratischen Delegierte von sich zu überzeugen. Dann wird abgestimmt – so oft, wie nötig ist, um eine Mehrheit für einen Kandidaten zu finden.

Die letzte "Open Convention" liegt über 70 Jahre zurück: Damals, im Jahr 1960, setzte sich nach einem spektakulärem Machtkampf John F. Kennedy gegen seinen parteiinternen Widersacher Lyndon B. Johnson durch. Letztendlich war jedoch nur ein Wahlgang nötig. Acht Jahre zuvor brauchte es noch mehrere: Erst aus dem dritten Wahlgang ging Adlai Stevenson als Sieger hervor – und verlor bei der Präsidentschaftswahl gegen den Republikaner Dwight D. Eisenhower. 

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Findet sich im ersten Wahlgang keine Mehrheit, kommt noch ein weiterer Faktor ins Spiel: die "Superdelegierten" – mehr als 700 Parteifunktionäre, die für jeden stimmen können, der ihnen gefällt. Die Demokraten dürften wohl versuchen, es im Falle eines Biden-Verzichts nicht zu einem solchen Spektakel kommen zu lassen und sich vor dem Parteitag auf einen gemeinsamen Ersatzkandidaten zu verständigen. Doch vorerst sieht es so aus, als sei Biden willens, weiterzumachen.