Chinesische Parteipolitik zeichnet sich in der Regel durch größtmögliche Intransparenz aus. Was hinter den Pforten des streng abgeriegelten Pekinger Regierungsviertels Zhongnanhai verhandelt wird, weiß nur ein harter Kern von Eingeweihten. Der Rest der Welt, auch Chinas Bevölkerung, erfährt so gut wie nichts über parteiinterne Abstimmungsprozesse; Entscheidungen werden verkündet, nicht begründet, ihr Zustandekommen bleibt oft völlig im Dunkeln.
Jüngstes Beispiel für die Undurchschaubarkeit chinesischer Machtprozesse war das abrupte Karriereende des chinesischen Top-Diplomaten Qin Gang. Erst im Januar dieses Jahres war der heute 57-Jährige von seinem damaligen Posten als Botschafter in den USA an die Spitze des Pekinger Außenministeriums befördert worden. Schon damals hoben Kenner chinesischer Kaderpolitik erstaunt die Augenbrauen: Parteikarrieren folgen in der Regel streng festgelegten Beförderungsschritten, bei denen Qin erkennbar ein paar Stufen übersprungen hatte. Man schob die Aushebelung der üblichen Hierarchieregeln auf seine Nähe zu Xi Jinping: Der neu ernannte Außenminister galt als enger Vertrauter des Parteichefs.
Noch weitaus erstaunlicher aber war, was wenige Monate später geschah.