Mitten im Europawahlkampf AfD-Kandidat führt Professorentitel wohl zu Unrecht – seine Partei zieht Konsequenzen

"Ska" Keller (l.) will für die Grünen ins EU-Parlament, Jörg Meuthen (M.) für die AfD und Katarina Barley (r.) für die SPD
"Ska" Keller (l.) will für die Grünen ins EU-Parlament, Jörg Meuthen (M.) für die AfD und Katarina Barley (r.) für die SPD
© Emmanuel Dunand/Matthias Balk/Kay Nietfeld / AFP / DPA
Bei der Europawahl 2019 wählen alle Bürgerinnen und Bürger der EU die Abgeordneten des Europäischen Parlaments. (Sie vertreten die Interessen von mehr als 500 Millionen EU-Bürgern.) Zu den Aufgaben des EU-Parlaments gehören unter anderem die europäische Gesetzgebung, die demokratischen Aufsicht aller EU-Organe und die Aufstellung des Haushaltsplans. Der Wahltermin unterscheidet sich von EU-Land zu EU-Land. Die Deutschen geben ihre Stimme am 26. Mai ab. In der konservativen „Europäischen Volkspartei“ (EVP) sitzen die Abgeordneten von CDU und CSU. Die Union schickt Manfred Weber (CSU) als Spitzenkandidaten ins Rennen. Er führt die EVP-Fraktion schon seit 2014. Nationale Spitzenkandidatin der SPD ist Justizministerin Katarina Barley, die von Berlin nach Brüssel wechseln würde. Für die deutschen Grünen ist die 37-jährige Ska Keller Teil des europäischen Spitzen-Duos. Gemeinsam mit dem Niederländer Bas Eickhout vertritt sie die Europäische Grünen Partei (EPG). Die Linke schickt Martin Schirdewan und Özlem Alev Demirel in den Europa-Wahlkampf. Beide sind so unbekannt, dass auf den Wahlplakaten auch Gregor Gysi zu sehen ist. AfD-Spitzenkandidat für Brüssel ist Jörg Meuthen. Mit Meuthen würde die AfD zum zweiten mal ins Europaparlament einziehen. Die Europawahl findet alle fünf Jahre statt. Tritt das Vereinigte Königreich bis zur Wahl Ende Mai aus der EU aus, verringert sich die Anzahl der Abgeordneten im Parlament von 751 auf 705 Plätze. Deutschland wird nach wie vor 96 Abgeordnete davon stellen. Wer von den Kandidaten ins Europäische Parlament gewählt wird, entscheiden die deutschen Wähler am 26. Mai.  
Ein Professorentitel macht viel her und zeugt gemeinhin von Sachkompetenz - im Wahlkampf nicht zu verachten. Doch was ist, wenn der Titel womöglich zu Unrecht geführt wird? Diese Frage muss sich gerade AfD-Kandidat Gunnar Beck stellen lassen. Seine Partei reagiert umgehend.

Die AfD gerät im Europawahlkampf wegen des Führens eines Professorentitels durch ihren Kandidaten Gunnar Beck in die Kritik. Obwohl der 53-Jährige aus Nordrhein-Westfalen am Dienstag sein Verhalten als "juristisch einwandfrei und inhaltlich richtig" rechtfertigte, zog die Partei kurz darauf Konsequenzen: Sie strich auf ihrer Internetseite mit den Kandidaten zur Europawahl den Professoren- und auch gleich den Doktortitel von Beck.

Der auf dem aussichtsreichen Listenplatz 10 Stehende war dort als "Prof. Dr. Gunnar Beck" vorgestellt worden. Darunter stand: "Prof. Dr. Gunnar Beck ist 53 Jahre alt." Am Abend wurde er als "DPhil Barrister-at-Law Gunnar Beck" präsentiert. Darunter steht nun nur noch: "Gunnar Beck ist 53 Jahre alt."

AfD-Kandidat Beck offenbar kein Professor

Der Deutschlandfunk hatte zuvor berichtet, Beck habe sich auch im November vergangenen Jahres beim Listen-Parteitag der AfD zur Europawahl als "Professor" vorgestellt. Dies sei er aber gar nicht. Er unterrichte an der SOAS University of London Europarecht und Rechtstheorie und trage dort die Bezeichnung "Reader in Law", nicht Professor. Das zuständige NRW-Wissenschaftsministerium habe auf Anfrage mitgeteilt, die schlichte Umwandlung einer englischen Hochschulfunktion in einen deutschen Titel sei ausgeschlossen.

Beck erklärte am Dienstag, er arbeite seit vielen Jahren als Barrister-at-Law (Rechtsanwalt) und Hochschullehrer in Großbritannien. Die Verwaltung der renommierten Universität Oxford definiere die Berufsbezeichnung Reader als eine Position zwischen einem Professor mit Lehrstuhl und einem Associate Professor, also einem außerordentlichen oder Professor ohne Lehrstuhl. Viele britische Universitäten hätten die Berufsbezeichnung Reader mittlerweile durch die Bezeichnungen Associate Professor, Professor oder zuweilen Titular Professor ersetzt.

Wenn er seine Berufstätigkeit als Professor und Anwalt/Fach- beziehungsweise Prozessanwalt für EU-Recht in London angegeben habe, "ist diese Übersetzung zutreffend", hieß es in der Erklärung weiter. Denn es sei stets offensichtlich gewesen, dass er in Großbritannien und nicht in Deutschland arbeite "und die deutschen Begriffe den Sachverhalt seiner Berufstätigkeit inhaltlich richtig beschreiben".

DPA
fs