Als ich das erste Mal von Angela Merkels Ernennung zur Regierungschefin in einem der größten und wichtigsten europäischen Länder hörte, konnte ich meine Bewunderung für diese Frau, die in der Lage ist, die Aufmerksamkeit und den Respekt der Welt zu gewinnen, nicht verbergen. Meine Bewunderung und mein Respekt gegenüber Merkel wuchsen, je mehr ich über sie und ihr Leben erfuhr. Die Vorstellung von einer Frau, die Wissenschaft und Politik in sich vereint, zog mich in ihren Bann.
Ich schaute zu ihr auf als ein großartiges Vorbild für die Frauen dieser Welt; ich, mit meiner beengten arabischen Sichtweise einer Frau, die Frauen nur als Sexmaschinen in den Händen arabischer Männer kennt, als gehorsame Dienerin des Mannes in fast allen Lebensbereichen.
Ensaf Haidar
ist die Ehefrau des saudischen Internet-Aktivisten und politischen Gefangenen Raif Badawi. Der Gründer des Online-Forums "Die Saudischen Liberalen" wurde 2012 verhaftet und zu zehn Jahren Gefängnis sowie 1000 Peitschenhieben verurteilt. Haidar floh nach Kanada und kämpft seither für die Freilassung ihres Mannes.
Flucht ändert Blick auf die Welt
Als ich aus der arabischen Welt floh, ließ ich alles zurück. In Kanada angekommen, änderte sich nach und nach mein Blick auf die Welt und entwickelte sich weiter. Irgendwann begann ich sogar, nicht mehr von Merkel geblendet zu sein. Hier habe ich festgestellt, dass Frauen und Männer vollkommen gleichwertig sind. Eine Frau kann Richterin, Pilotin, Premierministerin, Geistliche oder einfach eine ganz normale Angestellte sein.
Was ich damit sagen will: Der Standpunkt eines Menschen verändert sich mit seiner Umwelt und der Zeit, in der er lebt. Und der Wert eines Individuums steigt, wenn seine Umgebung Menschen ohne Vorurteile, ohne Bevorzugung schätzt und respektiert. So entwickeln sich Nationen und begründen die bedeutendsten Zivilisationen der Welt. Und mein Respekt für Merkel bleibt - ohne unnötiges Geblendetsein.