Angela Merkel im ZDF Beraten statt Basta

  • von Malte Arnsperger
Die Gesundheitsreform ist ein Debakel, Zweifel an ihrer Führungsstärke werden laut: Angela Merkel hat im ZDF versucht, Sympathien zurück zu gewinnen - mit Plauderei über Handy-Mitteilungen und Handküsse.

Es geht ans Eingemachte, Moderatorin Maybrit Illner spricht ein heikles Thema an. Hat sie oder hat sie nicht? Ja sie hat: SMS-Päpstin Angela Merkel hat tatsächlich schon mal eine ihrer geliebten elektronischen Kurznachrichten an einen falschen Adressaten versandt. Doch da ihr dieses Missgeschick "nur ganz selten" (Merkel) passiert ist, ficht sie das nicht an. Im Gegenteil. Der Bundeskanzlerische Rat an alle Leidensgenossen: "Wenn es passiert, einfach zugeben."

Zugegeben: Obwohl sie "in der schwersten Phase ihrer Amtszeit ist" (Anmoderation Maybrit Illner), trotz der nervtötenden Endlos-Diskussion um die Gesundheitsreform und trotz der innerparteilichen Ränkespiele: Die Bundeskanzlerin zeigte in einer launigen und durchaus kurzweiligen ZDF-Sendung "Berlin Mitte", dass sie ihren schon öfter bewiesenen Sinn für Humor (noch) nicht verloren hat.

Stoiber bekam Glückwünsche

Den hatte die Kanzlerin allerdings auch bitter nötig, denn Moderatorin Illner konfrontierte sie gleich zu Beginn mit einem Unruhstifter aus den eigenen Reihen: Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber sei ja 65. Jahre alt geworden, "haben sie schon mal bedauert, dass sie die Rente mit 67 eingeführt haben?", fragte Illner. Lachen im Publikum, breites Grinsen bei der Kanzlerin. Ja, sie habe zwar Stoiber brav zum Geburtstag gratuliert. (Ob per SMS oder persönlich verriet sie jedoch nicht.)

Mit süß-säuerlicher Miene ließ Merkel jedoch durchblicken, dass ihr die ständigen Störfeuer der Unions-Ministerpräsidenten auf die kanzlerischen Nerven gehen. Es werde kompliziert, "wenn zu oft gesagt wird: das nicht, das nicht. Ich fordere ein, dass wir sagen, was geht und wie es geht." Und, so Merkel schnippisch, "ich glaube, da ist es auch an der Zeit, dass sich manch einer noch an den Führungsstil einer Frau, einer ostdeutschen Frau, gewöhnen muss. Das ist anders."

Aber die Unions-Länderfürsten konnten nach dieser Watschn wieder beruhigt in ihre Fernsehsessel sinken, denn auch die SPD bekam ihr Fett weg. Die Zweifel von SPD-Fraktionschef Peter Struck an der Regierungsfähigkeit der Union wischte die Kanzlerin selbstbewusst mit einer Handbewegung vom Tisch: "Das ist geschenkt. Als Chef muss ich schauen, dass es zu einer Lösung kommt."

Ein Seitenhieb traf auch Alt-Basta-Kanzler Gerhard Schröder. Mit breiter Brust verkündete dessen Nachfolgerin: "Mein Prinzip ist nicht Basta, sondern mein Prinzip ist nachdenken, beraten, und dann entscheiden." Doch anscheinend hinterlässt sie dieser ausgleichende Führungsstil zunehmend einsam. Zumindest wusste Merkel auf die Frage, wer sie denn aus ihrer Partei wirklich unterstützt, keinen Namen zu nennen. Ihre Fans seien aber "in der Unions-Führung" zu finden, ohne dabei glücklich mit ihrer Antwort zu wirken.

Unterstützung könnte Merkel aber gut gebrauchen, denn demnächst stehen Entscheidungen in Sachen Gesundheitsreform an. Ein leidiges Thema auch für die Regierungschefin, das merkte man Merkel an. Nachdem sie bislang locker und entspannt Illners Sticheleien parierte, war nun Zeit für das Merkelsche Pokerface. Schmallippig gab sie zu, "es seien noch einige Punkte offen" und über verschiedene Fragen müsse noch "intensiv diskutiert" werden.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Arbeitsintensive Phase der Koalition

Doch immer wieder drängte Maybrit Illner die Kanzlerin zu konkreten Aussagen. Die kamen dann auch in Form einer überraschenden Ankündigung: Etwaige Steuermehreinnahmen will Merkel dafür verwenden, die eigentlich geplanten Anstieg der Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge zu minimieren. "Das heißt, dass die Beiträge möglichst gar nicht steigen", sagte sie. Dennoch befinde sich die große Koalition in einer "sehr arbeitsintensiven Phase".

Wie gut, das zu einem Leben als Bundeskanzlerin auch die Außenpolitik zählt. Selig lächelnd betrachtete Merkel Fernsehbilder aus ihrem Lieblingsdasein als Everybodys Darling auf der großen internationalen Bühne. Da ein Handküsschen von Frankreichs Jacques Chirac (Merkel: "Handkuss wird sonst nur von Michi Glos verabreicht"), dort die berühmt-berüchtigte Grabsch-Attacke von US-Präsident George W. Bush. Zwar meinte die Kanzlerin, "solche Nettigkeiten gibt es auch in der Innenpolitik", doch nach knapp 45 Minuten Diskussion über selbige wurde deutlich: Am liebsten hätte Merkel viel länger über Weltpolitik gefachsimpelt. Oder über das Versenden von sms.

PS: Der Wortlaut der kürzesten Kanzlerin-SMS: "Danke". Adressat: unbekannt.