Kurs in der Corona-Pandemie Laschet will Bürger nicht wie "unmündige Kinder" behandeln – und erntet Kritik

Durch eine randlosen Brille schaut Armin Laschet aus den für ihn rechten Augenwinkeln
© Fabrizio Bensch/Pool / AFP
Sehen Sie im Video: CDU-Vorsitzender Armin Laschet sieht Fokus auf Corona-Inzidenzwert kritisch.




Der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet hat bei der Ausrichtung der Corona-Politik vor einem zu einseitigen Fokus auf dem sogenannten Inzidenzwert gewarnt. "Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfindet", sagte er. "Wir können unser ganzes Leben nicht nur an Inzidenzwerten abmessen." Man müsse all die anderen Schäden etwa für die Gesellschaft und die Wirtschaft genauso im Blick haben wie die Inzidenzzahlen. Die Länderregierungschefs und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten zuletzt vereinbart, den Lockdown grundsätzlich bis zum 7. März zu verlängern. Sollte die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz stabil unter 35 sinken, sollen die Beschränkungen von den Ländern schrittweise gelockert werden. Zunächst für Einzelhandel, Museen und Galerien sowie Betriebe mit körpernahen Dienstleistungen. Am Montagmorgen lag der Wert im bundesweiten Schnitt laut Robert Koch-Institut bei 58,9. Der bisherige Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden. Die meisten Bundesländer verzeichnen laut RKI sinkende Sieben-Tage-Inzidenzen.
35 ist die neue magische Zahl. Erst unterhalb dieses Grenzwerts soll der Lockdown schrittweise beendet werden. Aber ist die Marke sinnvoll? CDU-Chef Laschet rät dazu, die Corona-Politik anders auszutarieren. Das sorgt prompt für Diskussionen.

CDU-Chef Armin Laschet ist mit skeptischen Äußerungen zur Bedeutung von Corona-Inzidenzzahlen auf Kritik bei SPD und Grünen gestoßen. "Wer wie Laschet von 'erfundenen Grenzwerten' spricht, der zerstört Vertrauen in die Corona-Maßnahmen", schrieb SPD-Fraktionsvize Katja Mast am Dienstag im Internetdienst Twitter. Der NRW-Ministerpräsident war mit seinen Äußerungen auf deutliche Distanz zum Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegangen.

Laschet hatte am Montag am Rande einer Veranstaltung des baden-württembergischen CDU-Wirtschaftsrats gesagt: "Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfindet." Damit wandte sich Laschet gegen die von Merkel und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder vergangene Woche getroffene Entscheidung, statt des Inzidenzwerts von 50 den Wert von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen zur Messlatte für weitere Lockerungen von Corona-Schutzmaßnahmen zu machen.

Corona-Desinfektion in China (Symbol)
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Laschet: Leben nicht nur an Inzidenzwerten abmessen

Laschet warf auf der Veranstaltung auch den Verfechtern eines harten Kurses im Kampf gegen die Corona-Pandemie, zu denen Merkel sowie CSU-Chef Markus Söder gezählt werden, Populismus vor. "Populär ist, alles verbieten, streng sein, die Bürger behandeln wie unmündige Kinder", sagte der CDU-Vorsitzende. Er warnte davor, das Leben der Menschen nur an Inzidenzwerten abzumessen.

Mast schrieb dazu, natürlich sei es richtig, bei Corona-Maßnahmen abzuwägen. "Allem zugestimmt und hinterher absetzen spricht von schwachem Charakter", wies sie aber darauf hin, dass Laschet selbst bei dem Bund-Länder-Spitzengespräch an der Entscheidung für die Messlatte von 35 beteiligt war. Die nordrhein-westfälische SPD-Landespolitikerin Sarah Philipp nannte es auf Twitter "mindestens kurios", dass Laschet erst Beschlüsse auf einer Konferenz mit fasse, sie dann im Landtag verteidige, um sie schließlich am Montag anzuzweifeln.

"Der Grenzwert von 35 wurde nicht 'erfunden", sondern abgeleitet von dem höheren R-Wert der Mutation B117" des Coronavirus, erklärte auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Zudem sei der Lockdown nicht "populistisch", sondern eher unbeliebt.

Kritik kam auch von den Grünen. "Das Virus verhindert, dass Leben normal wieder stattfindet, nicht 'erfundene' Inzidenzwerte", betonte die stellvertretende Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang. "Dass Armin Laschet das entweder nicht verstanden hat oder bewusst anders darstellt, ist verantwortungslos", warf sie dem CDU-Chef vor.

AFP
tim

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