Streit um Studienfinanzierung Junge Liberale widersprechen FDP-Fraktion: BAföG muss "Grundbedürfnisse sichern"

Franziska Brandmann.
Franziska Brandmann: Gehe die Inflation nicht stark zurück, müssten die BAföG-Sätze "natürlich" erneut angepasst werden, sagt die JuLi-Vorsitzende.
© Sven Simon / Imago Images
Die Ampelparteien streiten beim BAföG – dabei könnten sie auf ihren Nachwuchs hören: Dort ist man sich in einem zentralen Punkt einig. 

Es waren Aussagen zum BAföG, die für Aufsehen sorgten: Die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Ria Schröder, sagte im "Spiegel"-Interview, sie frage sich oft: "Warum gehen manche Leute nicht neben dem Studium arbeiten?" Es gehe auch um Eigenverantwortung, so Schröder. "Wir sollten die Unterstützungsangebote des Staates nicht für selbstverständlich halten. Und glauben, sie müssten immer weiterwachsen."

Damit setzt sie sich von den Koalitionspartnern von SPD und Grünen ab. Deren bildungspolitische Sprecher hatten gefordert, die Regelsätze der Unterstützung für Studierende im kommenden Jahr erneut anzuheben. Zwar hat die Regierung das BAföG bereits im vorigen Jahr erhöht, doch das wurde von der Inflation geschluckt. Schröder sieht das anders: Für eine Erhöhung müsse man anderswo kürzen. "Wo soll das gehen?", fragte sie.

Junge Liberale: BAföG muss "Grundbedürfnisse sichern"

Widerspruch kommt hier vom eigenen Parteinachwuchs, den Jungen Liberalen, deren Chefin Ria Schröder von 2018 bis 2020 war. Für die aktuelle Vorsitzende Franziska Brandmann ist vor dem Hintergrund der gestiegenen Kosten für Mieten und Lebensmittel klar: "Wenn dies anhält und die Inflation nicht stark zurückgeht, dann müssen die BAföG-Sätze natürlich erneut angepasst werden", sagte sie dem stern.

"Das BAföG muss grundsätzlich so hoch sein, dass es Studenten und Studentinnen ermöglicht, ein Studium aufzunehmen und dieses zu bestreiten", so Brandmann. "Es muss die Grundbedürfnisse von Studenten und Studentinnen sichern."  Das Ziel, dass junge Menschen studieren könnten, unabhängig davon, wie viel Geld ihre Eltern haben, sei "zentral" für das Aufstiegsversprechen und müsse weiter erfüllt werden.

Wer aber einen "höheren Lebensstandard" haben möchte, "etwa in den Urlaub fliegen", der müsse dafür auch neben dem Studium arbeiten, sagte Brandmann. Das machten mehr als 60 Prozent der Studierenden auch.   

Grüne Jugend: "keine herablassende Debatte über Arbeitsmoral führen"

Damit sind die Schnittmengen, was das BAföG angeht, bei den Jugendorganisationen größer als zwischen den Regierungsparteien. Denn bei der Grünen Jugend sieht man das ähnlich: "Das BAföG muss zum Leben reichen", sagte Katharina Stolla dem stern. "Neben dem Studium arbeiten zu müssen – meist unter schlechten Bedingungen – verschärft die ohnehin schon große Ungerechtigkeit im deutschen Bildungssystem."

Die erst kürzlich gewählte neue Co-Chefin fügt hinzu: "Wer es mit Politik für junge Menschen ernst meint, der sollte keine herablassende Debatte über Arbeitsmoral führen, sondern für mehr Geld auf dem Konto sorgen." Sie fordert, die BAföG-Sätze an die Inflation anzupassen.

Auch der stellvertretende Vorsitzende der Jusos, Philipp Türmer, fordert "realistische und inflationsangepasste Bedarfssätze". Diese müssten "ein echtes Existenzminimum für alle Studierenden ermöglichen – und das unabhängig von den Möglichkeiten der Eltern", sagte er dem stern.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Höchstsatz stieg von 861 auf 934 Euro

Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Grüne und FDP hohe Ziele gesteckt: eine grundlegende Reform der Studienfinanzierung, mit welcher das BAföG unabhängiger vom Einkommen der Eltern werden sollte. Auch sollten die Freibeträge und Bedarfssätze künftig "regelmäßiger" angepasst werden.  

Im Juni vergangenen Jahres dann haben SPD, Grüne und FDP höhere BAföG-Zahlungen beschlossen: Der Höchstsatz wurde von 861 auf aktuell 934 Euro monatlich angehoben. Diesen Höchstbetrag erhält rund die Hälfte der Empfängerinnen und Empfänger. Wie viel eine Person ausgezahlt bekommt, hängt unter anderem davon ab, ob sie Erspartes hat, wie viel ihre Eltern verdienen und auch davon, ob sie noch zuhause wohnt oder nicht.  

Die Jugendorganisationen der drei Parteien sind sich einig: Die bisherige Reform reicht nicht aus. "Ich erwarte von der Bundesregierung in der zweiten Hälfte ihres Regierungshandelns eine zweite BAföG-Reform, die über die erste hinausgeht", sagte Brandmann von den Jungen Liberalen dem stern.

Türmer von den Jusos fordert: "Das FDP-geführte Bildungsministerium und die gesamte Bundesregierung müssen endlich zeigen, dass Studierende und junge Menschen nicht mehr ganz unten auf der Prioritätenliste stehen. Eine echte BAföG-Reform wäre dafür ein erster guter Schritt!"