Berlin vertraulich! Schwarz-grüne Entwirrungen

  • von Hans Peter Schütz
Der bayerische Ministerpräsident in spe, Günther Beckstein, geht in die Vollen: Mit 52 Prozent wäre er bei der kommenden Landtagswahl nicht zufrieden, sagt er selbstbewusst. Auch die Grünen entschweben langsam aber sicher - und zwar in Richtung Union.

Die Bayern in Berlin sind eine gestandene politische Größe. Wenn Berliner in Bayern zu Besuch sind, können sie politisch noch viel dazulernen. Zum Beispiel 40 Berliner Journalisten, die unlängst mit Günther Beckstein in Palling beim "Michl-Wirt" in der Keller-Bar zum Gespräch zusammentrafen. Der Mann dürfte jeden Wettbewerb um den am schlechtesten gekleideten Spitzenpolitiker der Republik haushoch gewinnen. Und bei einer Konkurrenz um den holprigsten Redner der politischen Klasse dürfte er ebenfalls auf einem Spitzenplatz landen. Aber er redet wenigstens schnörkellosen Klartext. Über seine künftige Rolle in Berlin und die Kanzlerin, die er auf dem "Höhepunkt ihrer Macht" sieht: "Ich werde der Angela Merkel im Interesse Bayerns ab und zu ein Beinchen stellen müssen." Was, wenn Horst Seehofer Erwin Huber unterliegt beim Kampf um den CSU-Vorsitz? "Wir brauchen den Horst Seehofer, werde ich ihm als erstes sagen, wenn es so kommen sollte", sagt Beckstein. Er sei bereit, auch im Fall der Niederlage weiter zu machen, habe ihm Seehofer gesagt. Sein Wahlziel? "50 Prozent plus X. Wenn wir 49,9 Prozent erreichen, sind wir alle gescheitert." Aber mit so einem "jämmerlichen Ergebnis" werde er natürlich nicht rauskommen. Und: "Auch mit 52 Prozent wäre ich natürlich nicht zufrieden." Ein selbstbewusster Thronanwärter: "Wenn ich als bayerischer Ministerpräsident eine anständige Arbeit mache, wird man vier Wochen nach meiner Wahl fragen: Wer war eigentlich Edmund Stoiber?" Und ein Politiker, der nicht nur gut mit dem roten Sheriff Otto Schily konnte, sondern auch über Linken-Chef Oskar Lafontaine sagt: "Der ist zweifellos ein Demokrat." Und mit der Claudia Roth von den Grünen hat der Franke ebenfalls kein Problem. Die sei zwar eine "Heulsuse", aber "ich habe Respekt vor ihr."

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Hans Peter Schütz

Worüber redet das politische Berlin, wenn die Kameras ausgeschaltet sind? stern-Autor Hans Peter Schütz hört hin und notiert wöchentlich den neuesten Tratsch aus der Hauptstadt - exklusiv auf stern.de lesen Sie seine Kolumne "Berlin vertraulich!"

Wo war Fritz Kuhn? Lange wenig gehört und nichts gesehen vom männlichen Vorsitzenden der grünen Bundestagsfraktion. In der Osterpause hat den Baden-Württemberger ein Kreuzbandriss lahm gelegt, zugezogen beim Kicken mit seinen beiden Söhnen. Nur böse Zungen behaupten, er habe sich die Verletzung beim Versuch eines rot-grünen Fallrückziehers geholt. Es geschah beim fairen Kampf um den Ball. Die fällige Operation ist gut verlaufen, zurzeit humpelt Kuhn noch ein wenig durch die Berliner Polit-Szene. Aber er verspricht stern.de Besserung: "Das Knie heilt gut. Nach der Sommerpause grätsche ich wieder richtig rein - auch politisch." Seine politischen Ziele im Blick auf 2009, wenn die neue Legislatur angepfiffen wird, sind bereits klar: Erstens Neuauflage der Großen Koalition verhindern; zweitens dafür sorgen, dass eine schwarz-gelbe Koalition nicht möglich ist."

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Schwarz-grün ist in der grünen Kulisse mehr denn je Gesprächsthema. Kuhn zum Beispiel hält sich offiziell bedeckt, redet nur darüber, was eine solche Option für die CDU/CSU bedeutet: "Schwarz-Grün ist für die CDU/CSU wie eine Luftmatratze, die man sich unters Sprungtuch legt." Klar, auf welche kommende Landtagswahl das ganz besonders zielt: Hamburg, wo der regierende CDU-Ministerpräsident Ole von Beust jederzeit zum Sprung in ein schwarz-grünes Bündnis bereit wäre.

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Die grüne Fraktionschefin Renate Künast, immerhin schon einmal mit dem Unions-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder unlängst beim Essen gesehen, hält sich auf der Suche nach Antworten auf die Frage "Wer mit wem?" an den ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy. Der habe einst die Mondlandung als Ziel der US-Raumfahrt ausgerufen, ohne zu wissen was die USA dort erwarte. Künast weiter, Schwarz-Grün ebenfalls fest im Blick: "Wir befinden uns jetzt, beim Flug auf den Mond in einer Zwischenphase, wo die Erde keine Anziehungskraft mehr ausübt, wir aber noch nicht in der neuen Umlaufbahn angekommen sind. Das ist die beste Gelegenheit, das unüberwindlich Trennende weg zu hauen." Die Erde? Kann ja nur die SPD gemeint sein. Und das Essen mit Kauder? Künast: Die CDU solle "in der Phase des gemeinsamen Mittagsessen aus ihrer eigenen Verstrickung in den Kampf gegen uns befreit werden."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Autokunde: Nach einem Erlass der Berliner Umweltsenatorin Lompscher (Linkspartei) dürfen neue Berliner Dienstwagen keine Klimaanlage mehr haben. Das mindere den Schadstoffausstoß, weil die Klimaanlage auf 100 Kilometer einen halben Liter Benzin schluckt. Heinz-Reiner Schröder, Leiter der BMW-Niederlassung in Berlin, kann es nicht fassen. Die Klimaanlage diene doch der Sicherheit im Verkehr, weil sie für "kühlen Kopf" sorge. Leider sei sie fest eingebaut und müsste bei solchen Bestellungen erst mühsam ausgebaut werden. Es wäre doch "günstiger, einen BMW zu kaufen und dessen Klimaanlage einfach nicht einzuschalten." Gut gedacht, aber Schröder unterstellt etwas, was es in der Politik seltener gibt - einen kühlen Kopf.

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