Man könnte in der Silvesternacht darauf wetten, dass Guido Westerwelle einem erfolgreichen politischen Jahr staatsmännisch entgegen schreitet. Denn die Mitarbeiter haben dem Chef der deutschen Außenpolitik ein bemerkenswertes Weihnachtsgeschenk verehrt - ein kleines Heftchen. Darin stehen einige englische Sätze, so wie sie Westerwelle gesprochen hat, und daneben, wie das in perfektem Englisch hätte heißen müssen. Da der Außenminister derzeit ohnehin Englisch-Nachhilfestunden nimmt, mag er darüber lächeln. Aber die Mitarbeiter haben ihm auch ein paar wichtige generelle Merksätze des Auswärtigen Amtes aufnotiert. Etwa zur Frage, was der Unterschied zwischen Terroristen und dem für Staatsbesuche zuständigen Protokoll des Auswärtigen Amtes sei. Antwort: "Mit Terroristen kann man verhandeln." Kaum zu glauben, aber wahr: Westerwelle hat sich sehr gefreut über das Geschenk und will es in seinem Urlaub genau studieren.
Im Übrigen wagen wir Berliner Journalisten es sowieso nicht mehr, über die Fremdsprachenkenntnisse Westerwelles zu lästern. Hat er sich doch von uns im alten Jahr auf einer FDP-Party wie folgt verabschiedet: "Sehr geehrte Damen und Herren!". Er fuhr fort mit "Ladies and Gentlemen!" und endete mit "Mesdames et Messieurs!". Alles staunte und der FDP-Chef lästerte: "Na, das habt ihr nicht gedacht!" Doch, wir denken inzwischen wie seine Parteifreunde, wenn sie über ihren Guido flachsen: "Der Äußerste". Und viele nickten mit dem Kopf, als sie über die Feiertage in der "Süddeutschen" den schönen Satz lasen: "Der FDP-Chef ist von sich als Außenminister so begeistert, dass er als Politiker kaum noch auffällt."
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Mit Erfolg dürfte das Jahr 2010 auch für den neuen Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer gesegnet sein. Denn im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung feiert ein gewisser Veit Steinle ein bemerkenswertes politisches Comeback. Der bisherige Leiter der Abteilung Kunst im baden-württembergischen Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst wechselt im Januar zu Ramsauer. Dort übernimmt er die Grundsatzabteilung, also die politische Schlüsselstelle. Ihr neuer Name ist Programm: "Umweltpolitik, Infrastruktur und Grundsatzfragen."
Ein schöner Aufstieg, denn Steinle war als Regierungssprecher des früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel nach Berlin in die dortige Landesvertretung "entsorgt" worden. Dort wurde er vom Stuttgarter Ministerpräsident Günter Oettinger abberufen, weil es auch dem hoch begabten Netzwerker Steinle nicht gelang, den Ministerpräsidenten als gewieften Bundespolitiker in Berlin zu verkaufen. Die neuen Amtsgeschäfte kennt Steinle perfekt: In den 90er Jahren diente er CDU-Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann als Sprecher. Wissmann ist heute als Präsident des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie (VDA) ranghöchster Lobbyist der deutschen Autobauer. Das macht die Sache interessant: Ob Steinle, der nun im Verkehrsressort auch für "Umweltpolitik" zuständig ist, dafür sorgt, dass die Regierung der deutschen Autoindustrie, die serienweise CO2-Dreckschleudern und Benzinfresser produziert, mehr Druck gemacht wird? Wollte er es, müsste Steinle heute Front gegen seinen Chef von gestern machen.
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Die kleinen Parteien steigen groß ins neue politische Jahr ein. Die FDP wie immer mit ihrem Dreikönigstreffen in Stuttgart, die CSU einen Tag später im Wildbad Kreuth. Die Linkspartei mit einem Kongress in Berlin, zu dem sie ihren Vorsitzenden Oskar Lafontaine angekündigt hat, der jedoch nach stern.de-Information nicht kommen wird. Die Großen machen es eher klein. Der SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier gibt einen Neujahrsempfang für die Berliner Journalisten. Zu mehr reicht das Geld nicht, denn die Fraktion musste wegen der gesunkenen Abgeordnetenzahl 50 Mitarbeiter streichen. Der CDU wiederum fehlen wegen des schlappen Abschneidens bei Bundestags- und Europawahl zwei Millionen Euro staatlicher Zuschüsse. In der Parteizentrale wurden 15 befristete Arbeitsverträge nicht verlängert. Das viermal pro Jahr erscheinende Mitgliedermagazin wird eingestellt. Und am meisten schmerzt die Christdemokraten: Ursprünglich wollte die CDU-Führung im Ostseebad Dierhagen das politische Jahr eröffnen. Jetzt muss sie mit dem drögen Charme der Parteizentrale in Berlin vorlieb nehmen.
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Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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Auch kaum zu glauben, aber dennoch wahr: Welche verborgenen Talente in manchen Berliner Abgeordneten stecken. Etwa im Böblinger CDU-Volksvertreter Clemens Binninger. Der kann derzeit auf youtube als perfekter Schlagzeuger bewundert werden. Statt zur Polizei, so bekommt man dort lautstark eingetrommelt, hätte der Polizeioberrat a.D. locker auch zu einer Rockband gehen können. Dass er einst so eindrucksvoll mit Schlagzeugsoli beeindrucken konnte, hilft dem CDU-Mann auch in der Politik. Binninger zu stern.de: "Im Takt zu bleiben und den Rhythmus einzuhalten, ist auch in der Politik wichtig. Nur draufzuhauen, das geht nicht." Was als politische Maxime fürs Neue Jahr wir uns alle dringlich wünschen.