Keine Mehrheit für Online-Durchsuchungen und andere umstrittene Teile des BKA-Gesetzes im Bundesrat: Der Länder-Widerstand gegen eines der zentralen Vorhaben der Bundesregierung zur Terrorabwehr wächst. Nach knapp zweijährigem Dauerstreit in der Koalition geht das Ringen um stark erweiterte Befugnisse für das Bundeskriminalamt (BKA) nun voraussichtlich im Vermittlungsausschuss weiter. Nach der sächsischen SPD stellten sich am Montag auch die Sozialdemokraten der großen Koalition in Schleswig-Holstein quer und forderten Nachbesserungen im Vermittlungsverfahren. Die CDU erteilte nachträglichen Änderungen eine Absage und warf der SPD Unzuverlässigkeit vor.
Streit in der CDU/SPD-Koalition in Sachsen
Sachsens CDU/SPD-Koalition liegt im Streit über das Gesetz. "Für die Eillösung, bei der das BKA ohne richterlichen Beschluss Online-Durchsuchungen vornehmen kann, gibt es von der Sachsen-SPD keine Zustimmung", sagte SPD-Landeschef Thomas Jurk. CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer entgegnete: "Herr Jurk soll zur Vernunft kommen." Ein SPD-Landesparteitag vom Wochenende hatte die SPD-Vertreter in der Regierung aufgefordert, das Gesetz abzulehnen.
Das ebenfalls schwarz-rot regierte Schleswig-Holstein will den Vermittlungsausschuss nun offiziell anrufen. Das beantragte das Land im Bundesrats-Innenausschuss, wie Innenminister Lothar Hay (SPD) mitteilte. Er forderte Nachbesserung in zentralen Punkten. Hay will, dass bei der Online-Durchsuchung von Anfang an ein Richter dabei ist und auch Ärzte sowie Journalisten volles Zeugnisverweigerungsrecht haben. Die geplanten Ermittlungsbefugnisse bei Ärzten, Journalisten und einem Teil der Anwälte hatten Protest ausgelöst. Auch müssten in der Terror-Abwehr die Zuständigkeiten zwischen BKA und Länderpolizeien klar voneinander abgegrenzt werden. "Wir können uns bei einer Terrorgefahr keine parallelen Ermittlungen leisten", monierte Hay.
Das Gesetz soll der Behörde bei akuter Terrorgefahr erstmals die heimliche Durchsuchung privater Computer sowie das Abhören und die Videoüberwachung von Wohnungen erlauben. Erstmals soll das BKA nicht nur begangene Straftaten verfolgen, sondern Anschlagspläne vereiteln. Der Bundestag hatte am Mittwoch mit den Stimmen der Koalition zugestimmt. 26 SPD-Abgeordnete verweigerten das Ja. Die Opposition lehnte das Gesetz geschlossen ab, da es in die Privatsphäre eingreife und den Grundrechtsschutz gefährde. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht es als nötig an, um die Freiheit zu verteidigen.
Die CDU lehnte nachträgliche Änderungen ab. Es gebe eine klare Vereinbarung mit der Bundes-SPD, "und bei dieser Vereinbarung bleibt es", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Zugleich rief er die SPD-Spitze zu Gesprächen mit den sächsischen Sozialdemokraten auf. Es könne nicht hingenommen werden, dass ein einzelner Landesverband ausschert. Unions-Fraktionsvizechef Wolfgang Bosbach (CDU) sagte der "Stuttgarter Zeitung", nach mehrjährigen Verhandlungen erkenne er keinen Spielraum für Änderungen mehr.
Die SPD-Spitze um Parteichef Franz Müntefering und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier dürfe nicht zulassen, dass sich die SPD nach der zurückgezogenen Einigung über den Einsatz der Bundeswehr im Innern "innerhalb weniger Wochen zum zweiten Mal als unzuverlässiger Partner erweist", so Bosbach. Schäuble müsse bei der bevorstehenden Innenministerkonferenz in Potsdam Überzeugungsarbeit leisten.
Bundesregierung gibt sich weiter optimistisch
Die Regierung setzt weiter auf ein Zustandekommen. Die Bundesregierung versuche mitzuwirken, "dass es kommen wird", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm auch im Namen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Koalition hoffe, dass der Bundesrat am 28. November zustimmt. "Sollte es keine Entscheidung geben im Bundesrat nächste Woche, dann wird der Vermittlungsausschuss die nächste Verfahrensstufe sein", erläuterte Wilhelm. Die Landesregierungen mit Beteiligung der FDP, der Grünen und der Linken votieren voraussichtlich ohnehin nicht für das Gesetz.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Schäuble-Sprecher Stefan Paris verteidigte das strittige Regelwerk als "gutes Gesetz" und lehnte eine Debatte über mögliche Kompromisse in einem Vermittlungsverfahren ab. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte der Online-Ausgabe der "taz", reden könne man zum Beispiel über die Regelung, nach der der BKA-Chef die Online-Durchsuchung auch ohne richterlichen Beschluss anordnen kann. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil versicherte, die Bundes-SPD halte an dem Ziel weiterer BKA-Zuständigkeiten fest. Es sei nicht ungewöhnlich, dass eine Lösung erst im Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat gefunden wird. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte: "Das allerbeste, was dem Gesetz passieren kann, ist, dass es scheitert."