Bund spart am Nahverkehr "Die Preiserhöhung wäre spürbar"

Schwarz-Rot will die Zuschüsse für den Nahverkehr drastisch kürzen. Was bedeutet das für Pendler, die mit dem Zug fahren? Werden Tickets teurer? stern.de sprach mit dem Sprecher der Verkehrsservicegesellschaft Schleswig-Holstein.

Der Bund zahlt den Ländern in jedem Jahr 7,1 Milliarden Euro, um den Nahverkehr zu unterstützen, 4,6 Milliarden davon gehen direkt an die Bahn. Jetzt sollen bis 2009 insgesamt 3,1 Milliarden Euro gestrichen werden. Was für Auswirkungen werden diese Kürzungen bei Ihnen in Schleswig-Holstein haben?

Bei uns in Schleswig-Holstein heißt das, das wir bereits im nächsten Jahr - also 2006 - etwa zehn bis elf Millionen Euro weniger zur Verfügung haben werden, die das Land dann irgendwie einsparen muss. Das geht, wenn überhaupt, nur durch die Abbestellung von Leistung. Das Land wird weniger Züge bezahlen oder Strecken sogar ganz oder teilweise stilllegen - wobei das alles nicht kurzfristig geht. Der Fahrplan für das Jahr 2006 ist schon im Sommer 2005 bestimmt und festgelegt worden. Es ist schwierig, an diesem Fahrplan noch Änderungen vorzunehmen.

Was für Strecken werden Sie stilllegen müssen?

Das kann man natürlich noch nicht genau sagen. Man ist sehr schnell dabei, über Strecken nachzudenken, die ohnehin relativ geringe Fahrgastzahlen haben. Aber das ist im Moment noch Spekulation. Vielleicht sagt ein Land wie Schleswig-Holstein auch: Wir legen nichts still. Wir dünnen das Angebot dort, wo es vorhanden ist, einfach aus. Dort, wo es heute etwa einen Halbstundentakt gibt, gibt es dann nur noch einen Stundentakt - oder dort, wo heute jede Stunde ein Zug fährt, fährt er dann eben nur noch alle zwei Stunden.

Werden Sie die Fahrpreise erhöhen müssen?

Es ist nicht auszuschließen, dass man, um einen Teil dieser Mindereinnahmen auszugleichen, die Fahrpreise erhöht - wobei das schon eine gewaltige Fahrpreis-Erhöhung wäre. Wenn man bis 2009 von diesen heute gut sieben Milliarden Euro zwei Milliarden Euro bundesweit einsparen muss, dann würde das schon eine Fahrpreiserhöhung mit sich bringen, die deutlich merkbar wäre. Das ist umso spannender in einer Zeit, in der sich die Fahrgastzahlen nicht zuletzt aufgrund der hohen Benzinpreise in den meisten Ländern so erfreulich entwickeln.

Zur Person

Dennis Fiedel, 34, ist Sprecher der Landesweite Verkehrsservicegesellschaft (LVS) Schleswig-Holstein. Die LVS plant und organisiert den Schienenpersonennahverkehr (SPN) in dem Bundesland. Sie kauft im Auftrag des Landes bei Verkehrsunternehmen - wie etwa der Deutschen Bahn - die Leistung, bezahlt die Unternehmen also dafür, dass Züge fahren. Bundesweit gibt es 33 solcher Aufgabenträgergesellschaften, die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger des SPNV (BAG-SPNV) organisiert sind.

Müssen Sie nun Strecken verstärkt ausschreiben und an private Anbieter vergeben?

Wir in Schleswig-Holstein haben in den vergangenen Jahren sehr viele Strecken ausgeschrieben. Ab Mitte Dezember ist mehr als die Hälfte unseres Streckennetzes im Wettbewerb vergeben. Es ist richtig, dass die Leistungen dort überall deutlich günstiger geworden sind als zuvor. Die Schwierigkeit besteht darin, dass das nicht kurzfristig geht. Von dem Start der Ausschreibung über die Veröffentlichung bei der EU bis hin zur Betriebsaufnahme, das dauert leicht vier Jahre. Wenn man sieht, dass der Sparplan genau auf vier Jahre angelegt ist, würden die Effekte an dieser Stelle überhaupt nichts helfen.

Was für Erfahrungen haben Sie bisher mit privaten Anbietern gemacht?

Zum einen sind die Anbieter oft günstiger als die Bahn vorher. Das liegt insbesondere daran, dass die Unternehmen Fahrgastzahlensteigerungen unterstellen. Dadurch wird es für das Land günstiger: Wenn mehr Leute mitfahren, hat das Unternehmen mehr Einnahmen aus verkauften Fahrkarten und braucht weniger Unterstützung durch das Land. Zum anderen haben wir beobachten können, dass die Betreiber neues Material mitgebracht haben, neue Fahrzeuge, und in der Regel auch einen besseren Service bieten. Allerdings ist auch die Bahn, seitdem es dieses Phänomen "Wettbewerb" gibt, in vielen Bereichen besser geworden. Sie ist günstiger geworden - und sie hat auch Ausschreibungen gewonnen. In Schleswig-Holstein übernimmt sie am 11. Dezember eine Strecke, die heute ein privates Unternehmen fährt.

Koalitions-Politiker begründen die geplanten Einsparungen damit, dass der Nahverkehr die rentabelste Sparte der Bahn ist - und damit Subventionen nicht gerechtfertigt seien. Ist da nicht etwas dran?

Der Nahverkehr ist rentabel. Er ist deshalb rentabel, weil er sich aus zwei Quellen finanziert. Zum einen aus den Einnahmen durch verkaufte Fahrkarten. Das deckt, abhängig von Bundesland und Region, etwa ein Drittel bis zur Hälfe der Kosten ab, die für den Nahverkehr anfallen. Den anderen Teil des Nahverkehrs kaufen die Bundesländer. Die Bundesländer zahlen den Verkehrsunternehmen - der Deutschen Bahn aber auch anderen Betreibern - Geld dafür, dass die Züge fahren und dass sie diese Leistung anbieten. Dadurch ist der Nahverkehr in der Tat rentabel und dadurch erzielen die Unternehmen Einnahmen. Viele sagen, die Deutsche Bahn erziele dadurch so hohe Einnahmen, dass sie ihren Fernverkehr in gewisser Weise quersubventionieren kann.

Also sind die Subventions-Kürzungen unter dem Strich gerechtfertigt?

Wenn man generell kürzen muss und wenn ein Haushalt vor dem Erfordernis steht, Geld einzusparen, dann ist das schon nachvollziehbar. Das Problem ist nur, dass es eigentlich keine Subventionen sind, sondern Zahlungen für eine Leistung. Wenn die Zahlungen geringer werden, ist die Leistung nicht mehr finanziert. Das zu kompensieren geht kurzfristig nur über weniger Leistungen oder höhere Fahrpreise.

Interview: Florian Güßgen