In der Affäre um die Bespitzelung einer "Spiegel"- Redakteurin durch den Bundesnachrichtendienst (BND) hat der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz vor voreiligen Rücktrittsforderungen gewarnt. Die weitere Befragung von BND-Chef Ernst Uhrlau durch das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) mache deutlich, dass der Sachverhalt noch nicht ausreichend geklärt sei. "Dann schon vorab Forderungen aufzustellen nach Rücktritt, personellen Konsequenzen und Ähnlichem, das halte ich für sehr unseriös", sagte Wiefelspütz im "rbb-Inforadio".
Nach der ersten Sitzung des PKG am Mittwoch hatte Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele gesagt, man werde nicht ohne personelle Konsequenzen auskommen. Der "Spiegel" erwägt unterdessen eine Klage wegen der Bespitzelung seiner Redakteurin. Man prüfe, ob man einzelne Personen in dem Fall strafrechtlich zur Verantwortung ziehen könne, erklärte das Magazin. Wegen des gravierenden Einschnitts in die Pressefreiheit sei eine solche straf- und verfassungsrechtliche Prüfung geboten.
Das geheim tagende PKG wollte am Donnerstagmittag seine am Vortag unterbrochene Sitzung mit der weiteren Befragung Uhrlaus fortsetzen. Der Deutsche Fachjournalisten-Verband (DFJV) forderte vom PKG eine rückhaltlose Aufklärung der Bespitzelung von Journalisten durch den BND. "Es muss vollständig geklärt werden, wie es zu diesem erneuten Angriff auf die Pressefreiheit kommen konnte. Es drängt sich der Verdacht auf, dass das Versprechen des BND, nach der Spitzelaffäre 2006 keine Journalisten mehr zu überwachen, ein reines Lippenbekenntnis war", sagte DFJV-Thomas Dreesen. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) hat den BND scharf kritisiert. "Ich glaube, die Nachrichtendienste haben so langsam eine James-Bond-Mentalität bekommen", sagte der DJV-Vorsitzende Michael Konken im Saarländischen Rundfunk. Dafür trage BND-Chef Ernst Uhrlau die politische Verantwortung. "Die Luft wird wirklich dünner für ihn", sagte Konken dem Sender. Ob Uhrlau zurücktreten müsse, sollte aber dem Parlamentarischen Kontrollgremium überlassen bleiben.
BND überwachte die E-Mails der Auslandsreporterin Susanne Koelbl
Laut "Spiegel" überwachte der BND von Juni bis November 2006 die E-Mail-Korrespondenz der Auslandsreporterin Susanne Koelbl mit einem afghanischen Politiker. BND-Präsident Uhrlau unterrichtete Koelbl am vergangenen Freitag über die Aktion und bat um Entschuldigung. Die 42-jährige Journalistin berichtet seit Jahren aus den Krisen- und Kriegsgebieten am Hindukusch. Unklar ist, ob weitere deutsche Journalisten auch noch 2007 in Afghanistan ausgespäht wurden.
Der frühere ZDF-Korrespondent Ulrich Tilgner sagte der "Berliner Zeitung", ein hoher deutscher Diplomat habe ihm 2007 in Kabul erklärt: "Sie müssen verstehen, dass Sie abgehört werden." Grund für die Lauschaktion seien telefonische Kontakte gewesen, die er damals mit dem in Afghanistan entführten deutschen Ingenieur Rudolf B. gehabt habe, sagte Tilgner. "Für mich war in diesem Moment klar, dass die Gesetze, die in Deutschland gelten, von deutschen Beamten im Ausland offenbar außer Kraft gesetzt werden."
Der FDP-Innenpolitiker Max Stadler bezeichnete den Fall im Sender "n-tv" als "äußerst Besorgnis erregend". "Da verliert man wirklich das Vertrauen, dass die BND-Spitze das eigene Haus noch im Griff hat." Allerdings warnte auch Stadler davor, nach Konsequenzen zu rufen, wenn die Untersuchung noch andauere. "Wichtig ist auf alle Fälle eines: Grundrechte enden nicht an der deutschen Staatsgrenze. Sie gelten auch, wenn Deutsche mit ausländischen Partnern kommunizieren, telefonieren, E-Mails schicken."