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AKKs neuer Kurs Das öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr war leider alles andere als öffentlich

Annegret Kramp-Karrenbauer gibt einem Soldaten die Hand
Annegret Kramp-Karrenbauer bei öffentlichen Gelöbnis von Bundeswehrsoldaten. Die meisten Bundesbürger bekamen von der streng abgeschirmten Veranstaltung nichts mit
© Michael Kappeler / DPA
In Berlin fand das erste öffentliche Gelöbnis von Soldaten seit sechs Jahren statt. Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer will die Soldaten stärker in die Gesellschaft einbinden. Doch mit Veranstaltungen wie dieser erreicht man dieses Ziel ganz sicher nicht.

Dienstag Vormittag, Berlin Mitte, der Platz vor dem Reichstag. Für einen Moment ist es ganz still, kein Verkehr, keine Passanten, eine Stille, durch die sich auf einmal das von Soldaten im Chor gebrüllte "Ich schwöre!" wälzt.

Ein Moment, der auf jemanden, dem das Militärische fremd ist, befremdlich wirkt. 

Das erste Mal seit 2013 fand an diesem Vormittag wieder mitten in Berlin ein öffentliches Gelöbnis statt. 400 Soldaten der Bundeswehr wurde der Schwur abgenommen, "das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen." 

Bundeswehr soll im Alltag der Deutschen sichtbar sein

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte in ihrer Antrittsrede im Juli angekündigt, die Bundeswehr wieder stärker im Alltag der Bevölkerung zu verankern. Freie Bahnfahrten für Soldaten in Uniform waren in der Sache ihre erste Amtshandlung, öffentliche Gelöbnisse sind nun ihre zweite. 

Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler hat das Verhältnis der Deutschen zu ihrer Armee einmal präzise als "freundliches Desinteresse" auf den Punkt gebracht. Die Deutschen haben kaum noch Berührungspunkte zu ihrer Truppe, man sieht nur selten Soldaten auf den Straßen, Kramp-Karrenbauer (AKK) will gar eine "Entwöhnung" der Bevölkerung von ihrer Armee beobachtet haben.

Dabei ist es nicht so, als wäre das Image der Bundeswehr schlecht. Im Gegenteil, die Zustimmungsraten zur Truppe sind auf einem historischen Hoch, da gab es ganz andere Zeiten, in der Mitte des letzten Jahrhunderts etwa. 

Und trotzdem: Ist man in der Truppe unterwegs, hört man immer wieder Klagen über mangelnde Akzeptanz. Viele Soldaten ziehen ihre Uniform außerhalb der Kaserne lieber nicht an, weil sie keine Lust haben, angepöbelt zu werden. 

Öffentliches Gelöbnis auch in anderen Städten

In der Truppe kommt Kramp-Karrenbauers Wiederbelebung der öffentlichen Gelöbnisse deswegen gut an, gleich in vier weiteren Städten fanden am Dienstag ebenfalls öffentliche Gelöbnisse statt, andere Veranstaltungen in den nächsten Tagen kommen dazu. Ironischerweise war das Gelöbnis in Berlin aber alles andere als öffentlich. 

Der Reichstag wurde weiträumig von schwer bewaffneten Polizisten und Feldjägern abgesperrt, Passanten wurden abgewiesen, mussten große Umwege laufen, die Straßen in der Umgebung waren teilweise völlig überlastet. Kein einziger Bürger hat von dem Gelöbnis also irgendetwas mitbekommen, es sei denn, er saß zufällig um 12 Uhr vor dem Fernseher. 

Das mag aus logistischen und vor allem sicherheitstechnischen Gründen nachvollziehbar sein. Jedoch kann man jetzt schon gespannt sein auf die parlamentarischen Anfragen, die die Frage nach den Kosten des Ganzen aufwerfen – und damit die Diskussion anfachen, ob Preis und Wirkung tatsächlich in einem angemessenen Verhältnis standen. 

Man kann jedenfalls bezweifeln, ob sich mit diesem Gelöbnis am "freundlichen Desinteresse" der Deutschen an ihrer Armee signifikant etwas geändert hat. 

Außerdem kommen in den nächsten Wochen und Monaten noch ganz andere, viel größere Fragen auf die Ministerin zu. Die Rufe nach einer Bundesrepublik werden lauter, die sich sicherheitspolitisch stärker engagiert, die an der Seite Frankreichs bei der europäischen Verteidigung voran geht, die ihre Rolle in der Nato stärker ausfüllt. Mit diesen Rufen tun sich die Deutschen nach wie vor schwer. 

Vor einigen Tagen hat der französische Präsident Emmanuel Macron die Nato "hirntot" genannt und damit unter Sicherheitspolitikern, Diplomaten und Militärs mittelschwere Herzrhythmusstörungen ausgelöst. 

Unklarheit über die Rolle Deutschlands in der Nato

Was er damit meinte: Die USA ziehen sich zunehmend aus ihren internationalen Engagements zurück, die Franzosen wollen das Vakuum füllen, schaffen das aber nicht alleine. Und die Deutschen? Tja, die Deutschen, die können sich nicht mal zwischen den einzelnen Ministerien abstimmen, ob die Bundeswehr sich in Nordsyrien engagieren will oder nicht (und unabhängig davon ist auch nicht klar, ob die Bundeswehr dazu überhaupt in der Lage wäre). 

Die Debatte nach unserem Platz in der Welt müssen wir führen, und zwar ganz grundsätzlich: Welche Rolle wollen wir global einnehmen? Welche Interessen haben wir, und wie wollen wir die durchsetzen? Welche Rolle soll die Bundeswehr dabei spielen, und was braucht sie dafür? Grundsätzliche Debatten sind zäh und sie brauchen Zeit. Man kann also davon ausgehen, dass diese Diskussion AKK als Verteidigungsministerin überdauern wird, weil sie vorher den Absprung ins Kanzleramt sucht. 

Was dann bleibt: Schöne Bilder von einem eher privaten als öffentlichen Gelöbnis vor dem Reichstag.

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