Clement-Rauswurf "Die eigenen Leute tritt man nicht"

Sie sind die Davids, die einen Goliath anscheinend zu Fall gebracht haben: die Mitglieder des SPD-Ortsvereins Bochum-Hamme. Wie haben sie von der Ausschluss-Entscheidung gegen Wolfgang Clement erfahren? Sind sie stolz? Im stern.de-Interview schildert ihr Sprecher Martin Rockel die ersten Reaktionen der Bochumer Genossen.

Es ist halb elf am Abend. Soeben hat das ZDF gemeldet, Ex-Ministerpräsident, Ex-Wirtschaftsminister und Ex-SPD-Vize Wolfgang Clement soll nach einer Entscheidung der Schiedskommission des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der SPD aus der Partei ausgeschlossen werden. Der Grund: Clement hatte vor der Landtagswahl in Hessen in einem Zeitungsbeitrag vor der Wahl der hessischen SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti gewarnt. Clements heimatlicher SPD-Ortsverein Bochum-Hamme hatte den Ausschluss mit betrieben. Martin Rockel, Medienbeauftragter des Ortsvereins, geht ans Telefon.

Herr Rockel, knallen bei Ihnen schon die Sektkorken?

Nein. Überhaupt nicht. Ich habe von der Entscheidung auch aus dem Fernsehen erfahren. Ich hatte erst morgen mit dem Beschluss gerechnet. Jetzt klingelt seit einer halben Stunde ständig das Telefon.

Ihr Ortsverein hat maßgeblich dazu beigetragen, dass ein Ex-Ministerpräsident und Ex-Bundesminister aus der SPD geworfen wird. Sind sie stolz?

Stolz ist der falsche Begriff. Die Entscheidung war schlicht eine logische Konsequenz der Äußerungen Clements vor der hessischen Landtagswahl. Er hat der Partei gezielt geschadet. Das hat die Kommission offenbar gewürdigt - auch wenn ich die schriftliche Begründung noch nicht kenne. Die Botschaft der Entscheidung ist klar: In der SPD ist keiner gleicher als die anderen - auch wenn er einmal Minister war. Schon aus Selbstachtung mussten wir uns für den Ausschluss einsetzen.

Ist die SPD so intolerant, dass sie Widerspruch und Kritik aus den eigenen Reihen nicht verträgt?

Helmut Schmidt hat auch immer wieder Außenseiterpositionen vertreten. Aber im politischen Tagesgeschäft hat er die Grenzen nie so überschritten, wie Clement das getan hat. Er hat das Ziel verfolgt, der Partei zu schaden.

Ist der Rauswurf des Agenda-2010-Vertreters Clement auch ein Symbol für eine Richtungsentscheidung der Partei?

Den Jüngern der Agenda 2010 hat man damit auf jeden Fall die Gelbe Karte gezeigt. Damit hat die Partei bewiesen, dass sie nicht bereit ist, es hinzunehmen, wenn jemand die Beschlüsse eines Parteitags als Phrasendrescherei hinstellt. Genau das hat Clement nach dem Hamburger Parteitag mehr oder weniger getan. Es macht aber keinen Sinn, die Agenda wie eine Monstranz vor sich herzutragen. Die SPD steht für sozialpolitische Inhalte, die sich nicht wegdiskutieren lassen. Zudem redet Clement der Atomlobby das Wort.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Geht die SPD mit der innerparteilichen Entleibung Clements auch auf die Linkspartei zu?

Wir sind eine Partei, die im 21. Jahrhundert angekommen ist. Wir stehen etwa für eine moderne Bildungspolitik und wollen nicht schlicht zurück in die 70er Jahre. Aber eines ist klar: Sich zu politischen Traditionen zu bekennen, heißt nicht unbedingt, dass man auch altmodisch ist.

Ist der Rauswurf ein Erfolg der Basis gegenüber der Parteispitze in Berlin?

Die Entscheidung zeigt, dass man sich von unten gegen den Mainstream in Berlin durchsetzen kann.

Wie waren bisher die Reaktionen Bochumer Bürger auf Ihr Bestreben, Clement aus der Partei zu werfen?

Wir haben positive Rückmeldungen erhalten. Wolfgang Clement hat hier nicht viele Freunde. So wie er verhält man sich im Ruhrgebiet einfach nicht. Den eigenen Leuten tritt man nicht in den Hintern.

fgüs