Pandemiebekämpfung Drei Gründe, warum die Impfpflicht schon jetzt tot ist

Wie gut wurde die Impfpflicht durchdacht?
So richtig mitgedacht hat die Politik nicht – sonst stünde die Impfpflicht nicht auf wackeligen Beinen.
© Martin Schutt / Picture Alliance
Die Impfpflicht soll kommen. Oder? Die Bundesregierung hält zwar noch dran fest. Vieles spricht aber schon jetzt dagegen.

Lockern und verpflichten, das scheint dieser Tage die Devise der Bundesregierung zu sein. Auf der einen Seite traut man sich wieder mit weniger Maßnahmen zu planen. Im Frühjahr soll es so weit sein, einige Wochen vor Ostern, wenn man den Worten von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach glauben darf. Auch Kanzler Olaf Scholz hatte sich diesbezüglich mal wieder zu Wort gemeldet und etwaige Lockerungen angekündigt.

Auf der anderen Seite will man verpflichten und zwar zum Impfen. Beides widerspricht sich auf den ersten Blick nicht. "Wenn wir die Impfpflicht eingeführt haben, können wir lockern", könnte man so schön argumentieren. Doch das tut man nicht. Man betrachtet beides lieber differenziert – und zwar so sehr, dass einem die Fragwürdigkeit der angekündigten Maßnahmen laut entgegenschreit. Dabei haben die Lockerungsambitionen die größeren Chancen, sich durchzusetzen. Darf man den gegenwärtigen Prognosen trauen, dann erreichen wir kommende Woche die Hochphase der aktuellen Omikron-Welle. Danach soll es wieder besser werden.

Weniger gut steht es derweil um die Impfpflicht. Das Festhalten daran erinnert an lebensverlängernde Maßnahmen – alles andere dagegen an einen unfreiwilligen Boykott.

Daran scheitert die Impfpflicht schon jetzt

Lockerungen, ohne die Impfpflicht dafür zur Bedingung zu machen, sind ein Fehler. Österreich ist dafür das beste Beispiel. Das Land hat fast zeitgleich mit der Einführung der Impfpflicht alle Schutzmaßnahmen gelockert. Es gilt flächendeckend 3G. Weil das Land derzeit mit den Kontrollen nicht nachkommt, fehlt den Österreichern die Motivation, sich an das geltende Recht zu halten. Ohne Rahmenbedingungen keine funktionsfähige Impfpflicht. Die deutsche Bundesregierung droht gegenwärtig in dieselbe Falle zu tappen.

Allerdings muss man sich fragen: Wenn wir ohnehin lockern, warum brauchen wir dann noch die Impfpflicht? Die Situation legitimiert die Notwendigkeit des Gesetzes offenbar ja nicht mehr.

Das wird auch durch die zahlreichen epidemiologischen Modelle und Prognosen bestätigt. Damit entfällt die rechtliche Grundlage für die Impfpflicht. Der Krankheitsverlauf bei Omikron gilt als vergleichsweise mild, Hospitalisierungen sind seltener als zu Delta-Zeiten. Verflüchtigt sich die neue Variante in den kommenden Wochen, dann entfällt auch das Argument, man müsse das Gesundheitswesen vor Überlastung schützen.

Jenseits der logischen und juristischen Gründe gibt es aber auch noch einen politischen Grund. Für alle vorgelegten Vorschläge findet sich im Parlament nach derzeitigem Stand keine Mehrheit. Noch viel schlimmer ist jedoch die Tatsache, dass man sich offensichtlich noch nicht einmal mehr auf die im Dezember beschlossene einrichtungsbezogene Impfpflicht einigen kann. Wenn es schon daran scheitert, wie will die Bundesregierung dann eine flächendeckende allgemeine Impfpflicht einführen?

Mal wieder verkommuniziert?

Am Ende bleiben bittere Erkenntnisse: Bei der Impfpflicht kann es sich am Ende nur um eine Totgeburt handeln, bei der sich die Politik wieder einmal ins Chaos kommuniziert hat. In diesen Zeiten kann man sich scheinbar auf nichts mehr verlassen – außer auf das Virus selbst. Dass eine neue, möglicherweise noch bösartigere Virusvariante auftaucht, kann gegenwärtig niemand ausschließen. Insofern könnte die Impfpflicht vielleicht im Herbst ihre Auferstehung feiern. Allerdings haben wir das dann nicht der Politik zu verdanken. Und das will nun wahrlich auch niemand.