Der Expertenrat zu Corona hat Bundesregierung und deutschen Gesundheitsbehörden einen schweren Vorwurf gemacht: "Die Corona-Pandemie hat die fehlende Verfügbarkeit an wichtigen Daten im Vergleich zu anderen Ländern offensichtlich gemacht und zeigt, wie dieser systemisch geduldete Mangel an Daten die wissenschaftliche Analyse und Bekämpfung der Pandemie erschwert. Insgesamt ist die mangelhafte Digitalisierung im Gesundheitssystem in Deutschland (siehe auch die 4. Stellungnahme) ein großes Hindernis – nicht zuletzt auch für erfolgreiche Kommunikation", heißt es in der Sonntag veröffentlichten "5. Stellungnahme des ExpertInnenrates der Bundesregierung zu COVID-19".
Außerdem verlangt der Rat von den Verantwortlichen in Politik und Behörden eine bessere öffentliche Kommunikation zur Pandemie. Um den Menschen das richtige Verhalten zu ermöglichen, sei eine "reaktionsschnelle, evidenzbasierte, zielgruppen- und nutzerspezifische Risiko- und Gesundheitskommunikation unabdingbar", rät das Gremium. Diese müsse wissenschaftliche Evidenz einfach erklären und in Handlungsempfehlungen übersetzen.
Kommunikation der Corona-Maßnahmen verbesserungswürdig
Bei der öffentlichen Kommunikation müsse auf unterschiedliche Bildungsvoraussetzungen, kulturelle, sprachliche sowie altersabhängige Unterschiede geachtet werden, heißt es in der Stellungnahme weiter. Die Planung der Kommunikation müsse auch das Verhalten der Menschen berücksichtigen, schreiben die Experten. Dabei solle es etwa um die Frage gegen, wer Impfungen aus welchen Gründen ablehnt und wer womit erreicht werde.
Corona machte sie berühmt – das sind die Gesichter der Pandemie

"Soweit möglich sollen konkrete Entscheidungshilfen angeboten werden", befand der Expertenrat. Dazu zählten Checklisten oder "einfache Entscheidungsbäume". Zudem müssten Falsch- und Desinformationen identifiziert und entkräftet werden. Bei der Aufklärung der Bevölkerung sollten die multiplen Kanäle einer modernen Informationsgesellschaft genutzt werden, "von klassischen über soziale Medien bis zu e- und m-Health Angeboten".
Kommunikation auf Bevölkerungsgruppen abstimmen
Dabei müssten die Verbreitungskanäle zielgruppenspezifisch gewählt werden, schreiben die Experten. "Es muss berücksichtigt werden, dass manche Zielgruppen wie Kinder und Jugendliche, Menschen mit Migrationshintergrund oder bildungsferne Personen über die klassischen oder modernen Medienrepertoires unterschiedlich gut erreichbar sind." Deshalb sollten auch Multiplikatoren wie Ärzte, Sozialarbeiter, Lehrer oder Pfleger einbezogen werden.
Aus Sicht des Rates sind für eine "fachlich fundierte und evidenzbasierte Gesundheitskommunikation" vier eng ineinander greifende Bausteine notwendig:
- die Zusammenführung und Erzeugung des besten verfügbaren Wissens
- die Übersetzung relevanter Daten in zielgruppenspezifische und verständliche Informationsformate. Dazu heißt es in der Stellungnahme unter anderem: "Ziele sollen Aufklärung und nicht Werbung oder Persuasion ("Überreden") sein."
- Kommunikation über die verschiedenen Kanäle einer modernen Informationsgesellschaft
- Überprüfung der erzielten Effekte und falls notwendig die Anpassung der Strategie

Expertenrat macht konkrete Vorschläge
Der Stellungnahme zufolge empfiehlt der Expertenrat daher "die Verbesserung der aktuellen Kommunikation und Informationsangebote nach den oben beschriebenen Prinzipien". Er schlägt zudem vor, die Infrastruktur für Risiko- und Gesundheitskommunikation schnell auszubauen. "Dafür sollten die bestehenden Kompetenzen gebündelt und fehlende ergänzt werden. Diese multidisziplinär ausgerichtete Infrastruktur sollte fachlich unabhängig sein".

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Dem Corona-Expertenrat zur Beratung der Bundesregierung gehören etwa der Virologe Christian Drosten, die Virologin Melanie Brinkmann und die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, an. Alle 18 Mitglieder des Rates stimmten der fünften Stellungnahme zu.
Quellen: "5. Stellungnahme des Expertenrats" (PDF), AFP, DPA.