Pandemie-Maßnahmen Ab 1. Juli könnten Corona-Tests wieder kosten. Testzentren hadern, ob sich das Geschäft dann noch lohnt

Menschen stehen vor einem Corona-Testzentrum in der Schlange
Menschen stehen vor einem Corona-Testzentrum in der Schlange
© Ina Fassbender / AFP
Die Testverordnung läuft Ende Juni aus. Für die Bürger bedeutet das wieder kostenpflichtige Corona-Tests. Und die Betreiber der Testzentren bringt es in die Bredouille: Wer seinen Laden weiter offen hält, tut dies vor allem in weiser Voraussicht – muss es sich aber leisten können.

Es ist Sommer, die Corona-Maßnahmen sitzen so locker wie in den letzten zwei Jahren nicht. Masken braucht man fast keine mehr, vermehrt treffen sich die Menschen wieder zum Feiern. Fast sieht es so aus, als kehre das normale Leben aus der Zeit vor der Pandemie zurück. Doch Vorsicht ist geboten. In Ländern wie Portugal oder Österreich steigen die Inzidenzen dank der neuen Virusvariante B.A.5 wieder massiv an. Ähnliches droht auch Deutschland – auch wenn die Politik die nächste Welle erst im Herbst erwartet.

Darauf will man vorbereitet sein – vorher wird aber bei einem weiteren wirksamen Mittel im Kampf gegen die Pandemie gespart. Ende Juni läuft die aktuelle Teststrategie aus. Das heißt: Die kostenlosen Bürgertests werden nicht mehr vom Bund bezahlt. Zahlreiche Betreiber von Testzentren stellt das vor die Frage, ob sie über den Sommer weiter Bürger- und PCR-Tests anbieten oder vorerst schließen sollen. "Die Leute sind daran gewöhnt, ihre Tests nicht selbst bezahlen zu müssen", sagt Marcus Reisiger dem stern. Er betreibt ein privates Testzentrum in einem Einkaufszentrum in Hamburg und befürchtet, dass sich weniger Menschen testen lassen, wenn sie die Kosten dafür selbst tragen müssen.

Gleichzeitig geht die Nachfrage schon seit Wochen zurück, wie aktuelle Zahlen des Robert-Koch-Instituts zeigen. Den letzten Höchststand meldete das RKI in der letzten Märzwoche. Damals ließen sich deutschlandweit noch mehr als zwei Millionen Menschen testen. Einen Monat später waren es nur noch knapp über eine Million Tests innerhalb einer Woche. Und Ende Mai hat sich die Zahl mit 496.484 sogar mehr als halbiert. Der Grund: Immer mehr Corona-Maßnahmen entfallen, Tests, etwa für Reisen, sind nur noch selten verpflichtend. Auch deshalb plante Reisiger bereits, sein Zentrum nach dem 30. Juni zu schließen.

Allein in der vergangenen Woche wurden in seinem Testzentrum 200 Personen pro Tag getestet, Tendenz steigend. Allerdings würden sich nur noch ein Drittel aller Kunden testen lassen, sobald die Tests kostenpflichtig würden, sagt Reisiger. Räumlichkeiten, Materialien und Personal über vier Monate hinweg mit solch geringer Nachfrage zu finanzieren, sei kaum rentabel.

"Testmöglichkeiten sind unfassbar wichtig"

Die gleichen Fragen beschäftigen auch Inés Faghihi, Leiterin des Corona-Testzentrums an der Universität in Bremen. Anders als bei ihrem Hamburger Kollegen ist der Bedarf hier etwas höher. Den Angaben zufolge werden in dem Bremer Testzentrum täglich noch 300 bis 400 Schnelltests durchgeführt. Die Betreiber haben sich dazu entschieden, das Testzentrum über den Sommer geöffnet zu lassen.

Der Grund ist simpel: Als die Testverordnung im letzten Jahr schon einmal auslief, mussten sich die Betreiber entscheiden, "ob wir schließen oder unter Minimalauslastung weiter geöffnet bleiben", sagt Faghihi dem stern. Obwohl die Nachfrage stark gesunken war und die Kunden ihre Tests selbst bezahlen mussten, habe man kostendeckend operieren können. Als die Testverordnung wegen steigender Inzidenzen wieder eingeführt wurde, sei die Zahl der täglichen Tests innerhalb kürzester Zeit von 100 auf 1000 gestiegen. "Das hat uns gezeigt, dass die Nachfrage nach Tests durchaus vorhanden war und Testmöglichkeiten unfassbar wichtig waren. Dass wir weiterhin geöffnet hatten und lediglich Ressourcen aufstocken mussten, war ein klarer Vorteil", sagt Faghihi.

Ein stillgelegtes Testzentrum wieder hochzufahren, dauert. Und es ist nicht so einfach, wie die Politik zu glauben meint. Allein um neue Mitarbeiter zu rekrutieren, diese anzulernen, passende Räumlichkeiten zu finden und die Materialien zu beschaffen, können laut den Zentrenbetreibern drei bis vier Wochen vergehen – wenn alles gut läuft. "Ein Testzentrum innerhalb einer Woche hochzufahren, ist unmöglich", bilanziert Reisiger. Selbst einen passenden Raum zu finden, sei kompliziert. "Man muss ein Konzept für die Zugänge, maximale Personenanzahl, CO2-Gehalt und Belüftung vorlegen", zählt er auf.

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Restaurant statt Corona-Testzentrum?

Den Betreibern in Bremen sei es im letzten Herbst nur deshalb möglich gewesen, auf die plötzliche Nachfrage zu reagieren, weil die Infrastruktur und ein Teil der erfahrenen Mitarbeiter noch vorhanden waren. "Es wäre uns unmöglich gewesen, 1000 Tests ohne gelerntes und vor allem eingespieltes Personal und klare Prozesse zu bewältigen", sagt Faghihi. Deshalb wird an der Universität Bremen weiter getestet.

Aber auch auf ein mögliches Ende ist man vorbereitet: Wer getestet wurde, kann am Ausgang auf einen Zettel schreiben, was mit den Räumlichkeiten passieren soll, wenn es das Testzentrum nicht mehr gibt. "Eine erste Auswertung hat ergeben, dass sich die Kunden vor allem gastronomische Betriebe wünschen", sagt Faghihi. Auch Apotheken und Drogerien seien unter den Kandidaten. "Wir versuchen so, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Sollte die Testverordnung doch auslaufen und sollte die Nachfrage nach Testungen plötzlich verschwinden, können wir so direkt ein nächstes Projekt beginnen."

Noch sieht es allerdings nicht nach einem Ende des Projektes "Testzentrum" aus. Laut RKI steigt die Inzidenz wegen der neuen Omikron-Variante auch in Deutschland. "Das weiterhin starke Wachstum von BA.4 und BA.5 lässt darauf schließen, dass diese Varianten in wenigen Wochen die Mehrzahl der Nachweise mittels Genomsequenzierung in der Stichprobe ausmachen“, heißt es im Bericht des Instituts. Steigende Infektionszahlen seien wahrscheinlich, weil sich diese beiden Varianten stärker verbreiteten als vorhergehende Omikron-Subtypen. Laut dem Verband der Akkredititierten Labore macht die Variante B.A.5 bereits 40 bis 50 Prozent aller Corona-Infektionen aus.

Testverordnung wird möglicherweise doch verlängert

Reisiger hadert deshalb, ob er sein Testzentrum wirklich über den Sommer schließen soll. Die Quote der positiven Schnelltests habe sich zuletzt von unter fünf auf zehn Prozent erhöht. Deshalb sei auch die Zahl der täglichen PCR-Tests von 20 auf 50 angestiegen. Die Testzentren geöffnet zu lassen, sei wichtig, um das Infektionsgeschehen weiterhin beobachten zu können. Werden die Testzentren geschlossen, werde man die wirkliche Infektionslage erst sehr verspätet an den Krankenhauseinweisungen ablesen können, befürchtet er. "Wir werden der Zeit extrem hinterherlaufen, weil die Testzentren keine oder nur wenige positive PCR-Tests an das RKI melden." Auch Faghihi hält die Abschaffung der Testverordnung nicht für sinnvoll. Beide gehen jedoch davon aus, dass diese über den 30. Juni hinaus verlängert wird.

Ähnliches bestätigt eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums auf Anfrage dem stern. "Die Entscheidung über eine weitere Verlängerung der Testverordnung und des Anspruchs auf Bürgertestungen sowie auf Testungen zur Verhütung der Verbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 befindet sich innerhalb der Bundesregierung in der Abstimmung", lautet die schriftliche Antwort.