Die spannendste Frage, die sich nach dem jüngsten Datenschutzbericht stellt, ist schwer zu beantworten: Weshalb wirft der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar seinen Job der Politik nicht einfach vor die Füße? Seit 2003 ist der Mann im Amt, und von mal zu mal musste er darüber berichten, dass die deutschen Bürger auf dem Eilmarsch in eine überwachte Gesellschaft wieder erheblich näher ans Ziel gekommen sind. Vom Büro bis ins Bett und auf die letzte Bahre darf die Privatsphäre weiter abgebaut werden. Dieser Staat will seine Bürger nackt und bloß sehen, selbst wenn sie nur harmlos in ihren Badewannen sitzen.
Also noch einmal die Frage: Weshalb wirft dieser Datenschutzbeauftragte nicht endlich hin, sondern will seinen bis 2013 laufenden Vertrag erfüllen?
Medien decken auf
Nichts von dem, was die Bundesregierung vom himmelhoch aufgeblasenen Datenschutzgipfel verkündet hat, ist umgesetzt worden. Weder ist der allgemeine Datenschutz wie versprochen novelliert und dadurch verbessert worden, noch ist das in Aussicht gestellte Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz politisch-parlamentarisch auch nur halbwegs ernsthaft auf dem Weg durch den Bundestag.
Und was mit dem geltenden Recht für breitbandiges Schindluder getrieben wird, haben nicht die staatlichen Datenschützer von Bund und Ländern enthüllt, sondern die Medien. Ohne die Rechercheure von stern.de säßen die Bosse von Lidl und der Bahn immer noch gut gepolstert auf ihren Chefsesseln. Der fehlende Datenschutz im Arbeitsbereich ist ein Skandal - und ein evidenter Nachweis politischer Schlamperei
Noch nie sind bislang Arbeitnehmer derart bespitzelt und ausgeschnüffelt worden wie in den vergangenen zwei Jahren. Und man muss mit Recht vermuten, dass dies auch schon weit vorher der Fall war, die schäbigen Praktiken nicht schnell genug bekannt geworden sind. Und wenn irgendwo Fortschritte beim Datenschutz erreicht worden sind, dann nur dadurch, dass - ein Beispiel - Altliberale wie Gerhart Baum vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die eigenen Parteifreunde klagten und gewannen. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn alle deutschen Gewerkschaften sich bei diesem Thema zusammenschließen könnten, um die Parteien mit Blick auf die kommende Bundestagswahl einem Test ihrer Aufrichtigkeit zu unterziehen.
Denn eine Wende zum besseren Schutz von uns Staatsbürgern vor den Staatsschnüfflern ist bislang leider nicht in Sicht. Die Lobbyisten-Horden rund um den Bundestag wühlen Tag und Nacht, damit ihre Auftraggeber den hemmungslosen Datenhandel weiterhin betreiben können. Die staatlichen Sicherheitspolitiker bemühen sich, mit ständiger Berufung auf drohende Terrorgefahren künftig noch durchs letzte Schlüsselloch unserer Wohnungen spähen zu dürfen, ganz zu schweigen, dass sie sich in den letzten Winkeln unserer Festplatten einnisten dürfen. Krank werden sollte man schon gar nicht, denn ehe man unters Röntgengerät gelangt, wird erst einmal ein Dossier bundesweit verschickt - besser: verkauft.
Das geltende Datenschutzrecht ist in Wahrheit durch die technologische Entwicklung sowie die politische Untätigkeit ein Datenschmutzrecht geworden. Es funktioniert nur noch dann, wenn spezielle Interessen der Politiker berührt werden. Etwa dann, wenn deutsche Minister mitteilen sollen, wie viel CO₂-Schmutz sie tagtäglich in die Lungen ihrer Wähler blasen. Von dem im Grundgesetz verankerten Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wollen sie dagegen nichts wissen. Gläserne Menschen will diese Politik, den offenen Blick in ihre Auspuffe duldet sie nicht.