Deutsche Soldaten am Hindukusch Raus aus Afghanistan!

  • von Hans Peter Schütz
Barack Obama hat eine Strategie für einen Abzug aus Afghanistan vorgelegt. Jetzt ist die Bundesregierung gefragt. Sie riskiert das Leben deutscher Soldaten für illusionäre Ziele.

Es war allerhöchste Zeit, dass sich die USA in Sachen Afghanistan mit einer Ausstiegs-strategie beschäftigten. Leicht hat sich Präsident Barack Obama offensichtlich nicht damit getan, diesen Krieg und seinen Sinn, so er irgendeinen hat oder einmal hatte, zu hinterfragen. Seine Antwort klingt zunächst einmal eindeutig: Noch einmal 30.000 US- Soldaten mehr, aber 2011 beginnt der Abmarsch. Ob dieser strategische Ansatz am Ende trägt? Nur Hellseher könnten darauf antworten.

Ebenso allerhöchste Zeit ist es jetzt allerdings auch an der deutschen Politik, das Engagement in einem Krieg, den sie offiziell so nicht nennt, obwohl er unstrittig einer ist, ebenso nachhaltig zu überdenken. Aus erkennbar opportunistischen Gründen - der Afghanistan-Krieg wird bei einer eindeutigen Wähler-Mehrheit nicht akzeptiert - hat sich die Kanzlerin bisher vor einer ungeschönten Bestandsaufnahme der Situation gedrückt. Die Opposition von Grünen und Linkspartei wird ihr dies jetzt im Bundestag entsprechend servieren. Sie kann von Glück sagen, dass der SPD enge Fesseln für die parlamentarische Auseinandersetzung angelegt sind. Wer so brav alles mitgemacht, gut geheißen und verteidigt hat wie die Genossen unter ihrem früheren Fähnleinführer Peter Struck, sollte besser Selbstanklage betreiben.

Wir brauchen ein neues Gesamtkonzept

Es ist richtig, dass die Bundesregierung auch unter dem Druck des Neuansatzes von Obama jetzt nicht unverzüglich in Kopfnickerei in Richtung des amerikanischen Verbündeten ausbricht. Ende Januar steht die Diskussion über ein neues Nato-Gesamtkonzept an. Erst wenn die gesamten Rahmenbedingungen für den weiteren Einsatz in Afghanistan definiert sind, sollte über die Frage zusätzlicher Bundeswehrsoldaten entschieden werde. Und erst wenn dieses Konzept steht und akzeptabel erscheint, kann auch sinnvoll über einen Zeitpunkt diskutiert und entschieden werden, zu dem ein Ausstieg sinnvoll ist. Nachdem so lange taktiert und schwadroniert - "Deutschland wird am Hindukusch verteidigt" - worden ist, kommt es auf einige Wochen sinnvoller zusätzlicher Diskussion nicht mehr an.

Für die Deutschen heißt das: Schluss mit der Aussitzerei, weg mit den Illusionen, die man sich jahrelang gemacht hat. Dem einstigen deutschen Versprechen, den Afghanen eine arbeitsfähige Struktur der inneren Sicherheit zu vermitteln, ist die Bundesrepublik nicht einmal annähernd gerecht geworden. Von wegen Polizeiausbildung! Die paar deutschen Polizisten vor Ort (wie letztlich auch die Soldaten) waren fast durchweg damit beschäftigt, sich selbst zu beschützen. Die Bundesländer haben sich massiv geweigert, entsprechendes Polizeipersonal vor Ort zu schicken. Entwicklungshilfe zum Aufbau einer innerstaatlichen vernünftigen Struktur in Afghanistan fand weithin nicht statt. Die nichtstaatlichen Organisationen wurden bei ihrer Arbeit unverantwortlichen Risiken ausgesetzt.

Die Wahrheit über das Afghanistan von heute nach jahrelangem Krieg: Die Taliban terrorisieren das Land. Die amtierende Regierung des Landes trägt das Kainsmal der Wahlbetrügerei. Die Korruption ist das Kennzeichen der staatlichen Infrastruktur. Die Drogenbarone und Warlords sind die Profiteure des Krieges. Sie würden sich freuen, wenn die Deutschen noch einmal 2500 Soldaten schicken würden, um ihren kriminell erworbenen Wohlstand und die künftige Heroinproduktion weiterhin abzusichern. Ihre Entsendung wäre allenfalls nur zu rechtfertigen, wenn sie dazu beitragen, Platz zu schaffen für die seit Jahren überfällige politische Lösung.

Ist diese in einem Jahr immer noch nicht erkennbar, bleibt nur der Rückzug. Würde weiter gemacht wie bisher, bliebe der Vorwurf berechtigt: Ihr riskiert das Leben deutscher Soldaten für illusionäre Ziele.