Der Streit um die Reformagenda von Bundeskanzler Gerhard Schröder entwickelt sich immer mehr zur Zerreißprobe für die rot-grüne Koalition. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering machte am Wochenende den Fortbestand des Regierungsbündnisses von einer eigenen rot-grünen Mehrheit für die Agenda 2010 abhängig. Neben den SPD-Linken verstärkten unterdessen auch die Reformkritiker der Grünen ihren Widerstand gegen das Reformprogramm.
Spitzentreffen mit Gewerkschaftsspitzen
Parteichef Schröder will offenbar versuchen, die Wogen im Streit mit den Gewerkschaften zu glätten. Für Anfang der Woche verabredete er sich mit DGB-Chef Michael Sommer zu einem Spitzentreffen im Kanzleramt. Die Unionsparteien wollten sich am Sonntagabend auf einer gemeinsamen Präsidiensitzung auf einen Reformkurs verständigen.
Auch die Grünen machen mobil
Bei einem Treffen in Münster beschlossen Vertreter aus 40 der insgesamt 474 Kreisverbände der Grünen, bei dem Sonderparteitag Mitte Juni gemeinsam Front gegen die Regierungspläne zu machen. Mit einem eigenen Antrag wollen sie gegen fast alle wesentlichen Punkte der Reformagenda vorgehen: Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, Lockerung des Kündigungsschutzes, Kürzung des Arbeitslosengeldes, Einschnitte bei der Krankenversicherung und Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre.
SPD-Linke bereitet Gegenanträge vor
Auch für den SPD-Sonderparteitag am 1. Juni sind bereits mehrere Gegenanträge zur Agenda 2010 in Vorbereitung. Die Parlamentarische Linke in der SPD-Fraktion meldete sich am Wochenende mit einer Erklärung zu Wort, in der sie erneut Änderungen an den Reformplänen fordert. Die Agenda müsse sozialverträglich sein, die Lasten gerecht verteilen und eine Fortschrittsperspektive aufzeigen.
Koalition am Rande einer "abschüssigen Bahn"
Fraktionschef Müntefering sagte dem Bonner "Generalanzeiger", sollte es keine Koalitionsmehrheit für die Reformpläne geben, wäre die Konsequenz, "dass wir dann nicht regieren können“. Ähnlich äußerte sich Fraktionsvize Michael Müller vom linken Parteiflügel in der "Welt am Sonntag": Komme die eigene Mehrheit nicht zu Stande, "gerät die Koalition auf eine abschüssige Bahn".

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Union nimmt Frührentner ins Visier
Vor der Klausurtagung der Unionsparteien zeichnete sich am Wochenende eine Ablehnung der Rente mit 67 ab. CSU-Chef Edmund Stoiber und CDU-Vorstandsmitglieder sprachen sich am Wochenende dafür aus, stattdessen das tatsächliche Renteneintrittsalter von durchschnittlich 60 Jahren anzuheben. Dazu sollten bei Frührentnern die Leistungen stärker gekürzt werden, schlug Stoiber vor. Auch die CDU-Vizechefs Christian Wulff und Christoph Böhr forderten, den Trend zur Frühverrentung zu stoppen. Die Ergebnisse des Treffens sollen am Montag in München präsentiert werden.