Diskussion um Mitgliederentscheid And the winner is ... Gabriel!

  • von Birgit Haas
Die Frage brachte SPD-Chef Sigmar Gabriel aus der Fassung: Ist der SPD-Mitgliederentscheid über die Große Koalition verfassungsgemäß? Die Antwort ist: Ja, aber ...

Der SPD-Mitgliederentscheid schwebt wie ein Damoklesschwert über der Großen Koalition. Aber ist er auch verfassungsrechtlich bedenklich, wie die ZDF-Moderatorin Marietta Slomka am Donnerstagabend im Heute-Journal Sigmar Gabriel vorwarf? Mit Worten wie "Blödsinn" und "Quatsch" versuchte der SPD-Chef die Debatte im Keim zu ersticken - und offenbarte damit eine gereizte Nervosität.

Wen wundert's: Die Genossen entscheiden schließlich nicht nur über Sein oder Nichtsein der Großen Koalition, sondern auch über Gabriels politisches Schicksal. Geht der Entscheid verloren, müsste er zurücktreten.

Die Kernfrage jedoch ist leicht zu beantworten: Das Mitgliedervotum ist rechtlich einwandfrei. Das räumt sogar der Staatsrechtler Christoph Degenhart ein, der die Vorwürfe am Donnerstagmorgen im "Handelsblatt" erhoben hatte. Dennoch hält der Professor der Universität Leipzig das Verfahren insgesamt für problematisch.

Knackpunkt Kanzlerwahl

Der Mitgliederentscheid sei zwar legal aber nicht bindend. Theoretisch könnte die SPD auf der Grundlage eines Vorstandsbeschlusses und der Zustimmung ihrer Abgeordneten die Große Koalition eingehen - selbst wenn die Basis das Bündnis eindeutig ablehnt.

Praktisch ist dies jedoch nicht möglich, weil es die Partei sofort zerreißen würde. Also sind Vorstand und Abgeordnete auf das Basisvotum verpflichtet. Sagen die SPD-Mitglieder "Nein", müssten die Mandatsträger Angela Merkel bei der Wiederwahl zur Kanzlerin, die auf den 17. Dezember terminiert ist, durchfallen lassen.

"Der faktische Druck, der durch das SPD-Basisvotum auf die Abgeordneten entsteht, ist immens. Er kommt einem imperativen Mandat nahe", sagt Degenhart zu stern.de. Das unterhöhle die freie Entscheidung der Abgeordneten nach Artikel 38, Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes.

Tatsächlich Unsinn

Diese zu wahren, ist das eigentliche Anliegen Degenharts. Er kritisiert deswegen nicht nur den Mitgliederentscheid, sondern auch den sogenannten Fraktionszwang, mit dem aufbegehrende Abgeordnete auf Parteilinie gezwungen werden - was in der Praxis durchaus üblich ist. "Und ich halte die Große Koalition insgesamt für problematisch, da dort die Einwände einzelner Abgeordneter aufgrund der Größe und der komfortablen Mehrheit kaum noch wahrgenommen werden müssen."

Im Interview mit Slomka sagte Gabriel, der einzelne Abgeordnete sei natürlich frei in seiner Entscheidung - wohlwissend, dass es faktisch nicht so ist. Das dürfte einen Teil seiner Gereiztheit erklären. Die Debatte indes, wer nun wen und wie oft über das Zustandekommen einer Koalition befragt, ist tatsächlich Unsinn.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die Parteien sind frei in der Frage, ihren Willensbildungsprozess zu organisieren. Und da hatte Gabriel schon recht: Je mehr daran beteiligt sind, desto stabiler ist der Beschluss. In der Union entscheidet am Ende des Tages immer nur eine: Angela Merkel.

Birgit Haas