Vielleicht muss man einfach den Worten des Ex-Popbeauftragten der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) auschen, um den Sex-Appeal des zweiten Energiegipfels im Kanzleramt zu erfassen. "Die Investition in die Exploration von Effizienzreserven", dozierte Sigmar Gabriel, nunmehr Umweltminister der großen Koalition am Montagnachmittag, "bringt mehr im Ergebnis als die Exploration von Öl- und Gasreserven - was nicht dagegen spricht, diese zu explorieren." Gabriel machte sich in der Pressekonferenz nicht einmal die Mühe, das, worüber man drei Stunden lang debattiert hatte - übers Energiesparen nämlich - in allgemein verständliches Deutsch zu übersetzen. Stattdessen probte er die surreale Wortakrobatik im öffentlichen Raum.
Minister in Mannschaftsstärke präsent
Nein. Keine Frage. Das Thema Energie ist wichtig, von zentraler Bedeutung gar. Wie abhängig ist Deutschland von anderen? Was ist der richtige Mix nuklearer, fossiler und erneuerbarer Energiequellen? Und wie kann verhindert werden, dass sich vier oder fünf Versorgerkonzerne den deutschen Markt so aufteilen, dass sie die Strompreise scheinbar nach Belieben in die Höhe treiben können? Es ist deshalb auch wichtig, dass die Kanzlerin eine Serie von Treffen von Politikern, Unternehmern und Wissenschaftlern abhält, die bis Ende 2007 ein "Nationales Energiekonzept" entwerfen sollen. All das ist wichtig, aber an diesem Montag war irgendwie die Luft raus. Es war unendlich zäh. Zwar war die Regierung durch eine staatliche Anzahl von Ministern fast in Mannschaftsstärke präsent - neben Kanzlerin Angela Merkel und besagtem Gabriel waren Wirtschaftsminister Michael Glos, Forschungsministerin Annette Schavan und Außenminister Frank Walter Steinmeier anwesen. Und dennoch: Konkrete Gipfelergebnisse konnte keiner der Versammelten präsentieren.
"Es gibt unterschiedliche Auffassungen"
Stattdessen gab es in der Pressekonferenz nach dem Treffen eine Menge Allgemeinplätze über Energiepolitik zu hören, kombiniert mit einem seltsam lustlosen großkoalitionären Geschubse. Am Wochenende hatten sich alte Gräben zwischen SPD und Union über den Ausstieg aus der Kernkraft aufgetan. Nach der dreistündigen Sitzung, bei der das Thema eigentlich nicht auf der Tagesordnung stand, sagte Merkel, es habe keine Tabuthemen gegeben, aber sie mühte sich nicht, Differenzen zu kaschieren. "Es gibt Themen, in denen es unterschiedliche Auffassungen gibt", sagte sie. Aber man habe sich nun mal auf den Koalitionsvertrag verpflichtet. Da steht drin, dass am Ausstieg nicht zu rütteln ist. Dabei bleibe es.
Etwas deutlicher wurde Merkel beim Streit um den Antrag des Versorgers RWE zur Verlängerung des Atomkraftwerks Biblis? Wirtschaftsminister Glos liebäugelt mit einem positiven Bescheid, aber der Antrag ist zuvörderst Sache des Umweltministeriums - dessen Kompetenzen Merkel betonte. Ja, sagte sie, der Antrag sei zunächst einmal eine Sache dieses Ministeriums.
Glos erwägt Missbrauchsaufsicht
Im Streit um den Umgang mit den großen Versorgern und deren angeblicher Preistreiberei schworen alle Minister einhellig darauf, dass der Markt mehr Wettbewerb brauche. Ja, sagte Merkel, die Frage des Wettbewerbs sei eine Schlüsselfrage. Minister Glos bemühte sich, Handlungsbereitschaft zu signalisieren. In seinem Haus, sagte er, gebe es Überlegungen, das Kartellrecht zu ändern, um eine Missbrauchsaufsicht bei erhöhten Strompreisen einzuführen. Die Überlegungen seien aber noch nicht mit den anderen Ressorts abgestimmt. Da meldete sich aus Gabriel wieder zu Wort, um noch einmal zu sagen, dass dieser Vorschlag wirklich noch nicht abgestimmt sei, man aber wirklich Wettbewerb wolle. Einen konkreten Alternativvorschlag machte er nicht, der ehemalige Popbeauftragte.