Vielleicht ärgert sich Angela Merkel über ihre forsche Ankündigung, die sie am 9. Juni 2011 im Bundestag gemacht hat. "Die EEG-Umlage soll nicht über ihre heutige Größenordnung hinaus steigen. Heute liegt sie bei etwa 3,5 Cent pro Kilowattstunde", sagte die Kanzlerin damals. Im Herbst wird sie wohl des Wortbruchs überführt. Denn die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegte Umlage zur Förderung von Wind- und Solarstrom wird voraussichtlich von 3,59 auf rund 5 Cent steigen - daher ist nun guter Rat teuer, wie die Strompreise im Zaum gehalten werden können.
Was hat die EEG-Umlage mit steigenden Strompreisen zu tun?
Über den Strompreis sind auf 20 Jahre garantierte Vergütungen für Strom aus Biogasanlagen, Solar- und Windparks zu zahlen, die über Marktpreisen liegen. Gezahlt wird die Differenz zwischen dem am Markt erzielten Preis und dem Vergütungssatz. 2011 flossen 16,4 Milliarden Euro an Vergütungen. Steigerungen von 50 Prozent bei der Produktion von Solar- und Windstrom steigern nun die Kosten. Aber in der Umlage sind auch Befreiungen für energieintensive Unternehmen bei der Ökostrom-Förderung eingepreist (2012: rund 2,5 Milliarden Euro). Ein Durchschnittshaushalt mit einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden bezahlt derzeit ohne diese Extrakosten pro Monat 8 Euro für die Förderung erneuerbarer Energien. Die Extrakosten eingerechnet sind es monatlich 10,5 Euro, also 125 Euro pro Jahr.
Laufen die Kosten bei der Energiewende aus dem Ruder?
Darum tobt eine Lobbyschlacht. Mischen überall neue Versorger und Energiegenossenschaften mit, sinkt das Geschäft der Energiekonzerne, die sich erst noch umstellen müssen. Ein geringeres Ausbautempo etwa durch eine Kappung der Vergütungen käme ihnen entgegen. Fakt ist: Durch mehr Ökostrom sind die Einkaufspreise gesunken, dies wird aber nicht immer an die Kunden weitergegeben. Und der Strompreis steigt nicht erst seit letztem Jahr. Seit 2000 legte er von 14 auf knapp 26 Cent je Kilowattstunde für Haushalte zu. "Die Steigerungen bei der EEG-Umlage sind nicht der Untergang des Abendlandes", heißt es in Regierungskreisen mit Blick auf die etwas hysterische Debatte. Die Umweltstiftung WWF sieht eine unsachliche "Panik an der Steckdose".
Was kann die Regierung tun, um kurzfristig Kosten zu begrenzen?
Wenig. Das Dilemma ist, dass Energiewendekosten direkt von den Bürgern zu zahlen sind, über den Strompreis. Hinzu kommen durch den Netzausbau steigende Netzentgelte. Und am Mittwoch will das Kabinett beschließen, dass auch Zusatzkosten für verspätete Netzanbindungen von Windparks in Nord- und Ostsee auf den Strompreis aufgeschlagen werden können. Der Staat ist insgesamt der größte Stromkostentreiber für die Bürger. Die FDP in Bayern dringt daher auf ein Absenken der Stromsteuer, die acht Prozent des Preises ausmacht. Das Problem: Mit den Einnahmen werden die Rentenbeiträge stabilisiert. Gewerkschaften und die Deutsche Energie-Agentur fordern eine Aufstockung der Mittel für die Dämmung von Gebäuden von 1,5 auf bis zu 5 Milliarden Euro jährlich, um das Energiesparen in Deutschland stärker zu fördern.
Muss es nicht mittelfristig eine große EEG-Reform geben?
Darüber sind sich alle einig, auch Wind- und Solarstrom müssen marktfähig werden und sich selbst tragen. Die Frage ist nur wie und wann. Umweltminister Peter Altmaier (CDU) bremst Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) bei seinen Forderungen nach einer raschen Kappung der Förderung aus. Denn die Länder drohen mit einer Blockade, wenn dadurch der Ausbau bei ihnen gefährdet wäre. Sie planen bis 2022 Ökoenergie-Anlagen in einer Größenordnung von 147 000 Megawatt - das kann das Stromnetz kaum verkraften. Werden Windparks zwangsweise vom Netz genommen, müssen Entschädigungen gezahlt werden. Ebenfalls über den Strompreis. Ein Problem liegt auch in der bisherigen Berechnung der Umlage: Senkt immer mehr Wind- und Solarstrom die Marktpreise, wächst die Differenz zu den Fördersätzen und damit die EEG-Umlage.
Wie können gerade Einkommensschwache geschützt werden?
Das ist derzeit ein Hauptproblem in der Kostendebatte. Altmaier hat eine Ausweitung kostenloser Energieberatungen für Haushalte angekündigt, um Stromspar-Potenziale zu erschließen. "Es darf nicht so weitergehen, dass die Haushalte die Hauptlast schultern und sich große Teile der Industrie aus der Verantwortung stehlen", sagt der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Die Industrie fürchtet aber bei Mehrbelastungen Arbeitsplatzverluste, da auch der Industriestrompreis einer der höchsten in Europa sei. Egal an welchem Rädchen geschraubt wird: Für Schwarz-Gelb birgt das Ganze Zündstoff. Längst nicht alle Koalitionäre haben ihren Frieden mit dem Atomausstieg gemacht.